Objektbeiträge

November 2017 – Von lauten Tönen und sanften Kleinoden

Wenn Flakon-Design auf Film-Kunst trifft

Parfüm-Flakon „Precious Doe“® in Form eines Weißwedelhirsch-Kalbs(?); AVON Products Inc.®, New York City/ Vereinigte Staaten von Amerika, zwischen 1976/78

Sammlung Beatrice Frankl/ Dauerleihgabe Carl August Heinz Stiftung 2012

„Es gibt eine Stille des Herbstes bis in die Farben hinein.“ Kurz und knapp und doch voller Poesie, so schildert der österreichische Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal (*1874-†1929) die Schönheiten der dritten Jahreszeit. Eine Zeit der natürlichen Veränderung und des Abschieds von den sommerlichen Freuden. Aber nicht jeden Tag fällt das Laub leise zu Boden, vor allem dann nicht, wenn ein melodisches „Halali“ durch die Fluren der heimischen Wälder schallt. Der mittelalterliche Ruf der Hirsch- bzw. Parforcejagd kündigt so manchem Rotwild ein nahendes Ende an. Bereits den Kelten war diese Form der Hetzjagd auf den Hirsch nicht fremd. Aber erst im 17. und 18. Jahrhundert erfreute sich die Parforcejagd (franz. par force, mit Gewalt) zu Pferde und einer beachtlichen Hundemeute im Schlepptau größter Beliebtheit unter den deutschen Landesfürsten und den Königreichen Frankreich und Großbritannien. Heute wird versucht, die Beunruhigung der Wildtiere auf ein Minimum zu begrenzen, im steten Wechsel von Ruhephasen mit intensiven Jagdintervallen. Der Abschuss des Wildes soll schließlich lediglich der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes geschuldet sein.

So oder so, nicht immer fand bzw. findet die Jagd auf Tiere ihre Anhänger. Der österreich-ungarische Schriftsteller Felix Salten (*1869-†1945) etwa betrachtet die Thematik in seinem 1923 erschienenen Tiergeschichte von „Bambi – Eine Lebensgeschichte aus dem Walde“ eher kritisch. Sei es aus Trotz oder gerade aufgrund der geschilderten Brutalität; der US-amerikanische Trickfilmzeichner und Filmproduzent Walt Disney® (*1901-†1966) scheute sich nicht, den emotional aufgeladenen Lesestoff verfilmen zu wollen. Aus dem Rehkitz „Bambi“ wurde kurzerhand ein Weißwedelhirsch-Kalb, das zusammen mit seinem neuen Freund – dem Wildkaninchen „Klopfer“ – das Leben der nordamerikanischen Wälder kennenlernt. Da befürchtet wurde, die heimischen Jäger könnten sich durch den Film angegriffen fühlen, wurde die Weltpremiere vom 8. August 1942 nach London verlegt. Ab 1950 eroberte schließlich Bambi® in Deutschland nicht nur die Kinos, sondern nach 69 Minuten auch millionenfach die Herzen ganzer Familien. Dabei hatte der Film weniger als 1.000 Worte Dialog zu bieten, da sich das Spiel der Tiere vorrangig über Augen, Mimik und passende Musikeinlagen vermittelte.

Im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ brachten jedoch nicht nur die Filmstudios der Walt Disney Company® eine Fülle an Tiercharakteren wie „Bambi“ hervor. Auch der US-amerikanische Kosmetikhersteller AVON Productions Inc.® lancierte im Laufe der Jahre eine Vielzahl tierischer Flakons, gefüllt mit duften Naturträumen. Unter ihnen befindet sich auch ein Abkömmling, der einem Weißwedelhirsch-Kalb sehr ähnlich sieht. Niedergekauert blickt es mit seinen langen, aufgestellten Ohren wachsam drein. Zusammen mit anderen figürlichen Flakons wurde der von AVON® als „Precious Doe“ bezeichnete Parfüm-Flakon zwischen 1976 bis 1978 primär für die Parfums „Flowers“ und „Sweet Honesty“ produziert. Im Gegensatz zu seinem silber-metallisierten Nachfolger „Silver Fawn“ aus den Jahren 1978/79 wurde sein Körper aus Klarglas – passend zum Kunststoff-Kopf – mit einem goldgelben Mattlack besprüht. Mag auch für den einen oder anderen diese Naturidylle kitschig wirken, so lassen wir an dieser Stelle mit „Bambis“ Mutter ausklingen: „Es gibt für alles seine Zeit. Wenn das eine vergeht, entsteht etwas anderes. Vielleicht nicht das, das vorher da war, aber dennoch etwas Neues und Wunderbares!“… Wohl sicher kein Jägerlatein!

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 02.11. bis 30.11.2017

Künftiger Standort: „Kindervitrine“ in der Dauerausstellung „Parfümflakons – Eine Zeitreise durch das 20. Jahrhundert“

Wissenswertes: Der Film Bambi® feiert im Jahr 2017 sein 75. Geburtstag. Für die Naturumsetzungen zu Bambi® ließ sich Walt Disney vom deutschen Schwarzwald und dem Bayerischen Wald inspirieren, die er im Jahr 1935 zusammen mit seinem Bruder Roy bereiste. Bevor Walt Disney Deutschland den Rücken kehrte, besuchte er noch das zauberhaft gelegene Schloss Neuschwanstein, das sich einst Bayerns Märchenkönig Ludwig II. am Rande der Alpen hatte errichten lassen. Das Bauwerk beeindruckte den Filmproduzenten dermaßen, dass er es als Vorbild für das Cinderella®-Schloss verwandte und zum Wahrzeichen und Logo für die Walt Disney Company werden ließ.

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Oktober 2017 – Von Chloroform für die Queen und Reiseapotheken für das Volk

Das British Empire im Streit um Eleganz und Gesundheit

Englische Reiseapotheke, bestehend aus einem Lederkoffer, mit 12 Flakons, Schönheitspflaster, Federkielen und einer Balkenwaage mit Feingewichten; u.a. Savory & Moore®, Bradley & Bourdas®, Blake, Sandford & Blake®, London/ Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland, wohl 1870er Jahre

Schenkung 2017

Gegensätze ziehen sich an, heißt es so schön im Volksmund. Kein anderes Jahrhundert als das 19. zeigte sich in traditionellen Werten und fortschreitender Wissenschaft und Technik widersprüchlicher. Ob nun auf dem Kontinent oder dem British Empire, die Menschen Europas einte ein Alltag der Kontroversen. Auch gekrönte Häupter wie die englische Königin Victoria (*1819-†1901) bildeten hierbei keine Ausnahme. Privat zeigte sich die Monarchin durchaus lebhaft mit einer Quintessenz Nonchalance an Ehrlichkeit, zeichnete gerne männliche Akte und sammelte Kunstwerke nackter Gentlemen. Das Viktorianische Zeitalter war also keinesfalls prüde und langweilig, denn „das Leben ist zu wichtig, um es seriös zu nehmen“, so die Meinung des zeitgenössischen irischen Schriftstellers Oscar Wilde (*1854-†1900). Während die schneidigen Militärs säbelrasselnd in Korsetts steckten und des Nachts eine Bartbinde ertrugen, gestatteten sich junge Mädchen die Freiheit mit sportlich leichtem Kleid Rad zu fahren, mit der Gefahr, das Gleichgewicht durch den sittsam mit Blumenarrangements gezierten Hut auf dem Kopf zu verlieren.

Nicht nur die Erzieher und Turnlehrer plädierten für leichte Kleidung und Körperertüchtigung, wie dem plötzlich in Mode kommenden Bad an der See. Auch die Fortschritte der Humanmedizin, die sich den Opfern der Cholera-Epidemien gegenüber sah, schärften den Blick für Körperpflege und Wohlbefinden. Im Streit zwischen Eleganz und Gesundheit ging Königin Viktoria als leuchtendes Beispiel voran. Für eine schmerzfreie Entbindung von ihrem Sohn Prinz Leopold (*1853-†1884) – das vorletzte von neun Kindern – nahm sie die Dienste von John Snow (*1813-†1858) in Anspruch. Als erster Facharzt für Anästhesie betäubte er die Königin mittels Maskennarkose und dem 1831 entdeckten Chloroform. Zum Entsetzen klerikaler Kreise hatte die Landesmutter gegen das göttliche Gebot Genesis 3,16 „Du sollst mit Schmerzen Kinder gebären“ verstoßen. Dennoch gewann diese als „narcose à la reine“ (franz. Narkose für die Königin) bezeichnete Geburtshilfe schnell an Popularität.

Neben bewährten Hausmitteln bestand gegen Ende des 19. Jahrhunderts für die begüterte Mittel- und Oberschicht die medizinische Selbstversorgung in einer gut sortierten Haus- und Reiseapotheke. Die hier gezeigte englische Reiseapotheke im Lederkoffer ist beredtes Zeugnis durch den auffallend mannigfaltigen Inhalt. Die unterschiedlich großen Fächer im Inneren beherbergen neben einer Packung Schönheitspflaster, Federkielen für Etikettenbeschriftungen und einer Balkenwaage mit Gewichten zum besseren Dosieren, vornehmlich acht große und vier kleine Flakons aus klarem Gebrauchsglas. Für den erforderlichen luftdichten Verschluss der in Formen geblasenen Behältnisse wurden ausnahmslos eingeschliffene Glasstopfen verwendet, die zusätzlich durch ein Pergament und ein Siegelband überzogen wurden. Die gedruckten und teils handschriftlich ergänzten Papieretiketten gewähren nicht nur Aufschluss über den Inhalt, bestehend aus Pudern, Tinkturen und Pillen, sondern verweisen auch auf den Hersteller. Einschlägige Traditionsunternehmen wie Blake, Sandfort & Blake®, Bradley & Bourdas® oder Savory & Moore® lassen sich hier und dort nachlesen. Diese, oftmals mehrere Filialen unterhaltenden, Apotheken fertigten bewährte Heilmittel nach Rezepturen fremder und eigener Provenienz an. Savory & Moore® etwa, wurde bereits im Jahre 1794 gegründet und wuchs schnell als eingetragenes Warenzeichen heran. Zu dem Gründungsgeschäft gesellten sich um 1876 noch zwei weitere in London und eines in Brighton hinzu. Als „Apotheker der Königin und seiner Königlichen Hoheit des Prinzen von Wales“ wurden jedoch nicht nur Medikamente, sondern auch Kosmetika wie Zahnpulver und Parfums vertrieben. Als Monarchin des British Empire hatte Königin Victoria – die zeitlebens eine robuste Gesundheit ihr Eigen nannte – sicher wenig Zeit, das reichhaltige Angebot der Apotheken ihres Reiches zu würdigen, umso mehr sich ihrer Landeskinder anzunehmen. Nicht umsonst schrieb sie einst die Zeilen: „Will eigenes Leid zu sehr Dein Herz bedrücken, dann lass Dein Aug´ auf fremdes Leid nur blicken; so trefflich kann dich nichts vergessen lehren, als das Bemühen, fremdes Leid zu wehren.“

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 04.10. bis 01.11.2017; HINWEIS: Der Lederkoffer und weitere Zubehörteile werden im Rahmen der Präsentation nicht gezeigt!

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

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September 2017 – Von fantasievollen und ästhetischen Pirouetten

Das Seifen-Ballett des Konsum Seifenwerkes Riesa®

Seifen-Präsent-Set „Ballett“®; Konsum Seifenwerk Riesa®, Riesa/ Deutsche Demokratische Republik, um 1960

Sammlung Monika Jürgens-Winefeld/ Schenkung 2016

„Das Schwere am Tanzen ist, das Schöne des Tanzens so zu zeigen, dass das Schöne des Tanzens nicht schwer aussieht.“ Dieses anonyme Zitat lässt mit Fantasie so manche Primaballerina (ital., führende Tänzerin eines klassischen Ballettensembles) vor dem geistigen Auge erstehen, die mühelos und voller Grazie in Pirouetten über den Boden zu schweben scheint, als besäße das Naturgesetz der Schwerkraft für sie keine Gültigkeit. Doch die Bilder vollendet geformter Frauenbeine und abstehendem Tutu (Rock aus mehreren Schichten von Tüll, teils mit Draht versteift) trügen. Das ursprüngliche Ballett, welches sich im 16. und 17. Jahrhundert in Europa zu etablieren suchte, war alles andere als eine Frauendomäne. Ähnlich dem Schauspiel oder dem noch jungen Genre der Oper gaben die Männer den Ton an, allen voran Frankreichs Sonnenkönig Ludwig XIV. (*1638-†1715). Als kunstsinniger Monarch und wohl bester Tänzer seiner Zeit, schuf er sozusagen in erster Amtshandlung nach seiner Machtergreifung im Jahre 1661 die Académie Royale de Danse (franz. Königliche Akademie des Tanzes) in Paris. Tanzen schmeichelte schließlich nicht nur dem Auge, sondern auch der Figur und diente der sportlichen Körperertüchtigung. Noch im 19. Jahrhundert tanzte „Mann“ Ballett sogar im militärischen Felde, um etwa den Rücken durch das stete Reiten zu stärken oder den Gleichgewichtssinn zu trainieren.

Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Edgar Degas (*1834-†1917) mit leichtem Pinselstrich so manche Attitude auf Papier und Leinwand bannte, hatte sich das aufblühende Klassische Ballett längst neuformiert. In den unzähligen Theatern der Seine-Metropole fand das französische Maler-, Grafik- und Bildhauertalent schließlich eine seiner prominentesten Inspirationsquellen: Balletttänzerinnen. Weit über 200 seiner Werke widmeten sich dem Thema des Balletts, wobei nicht die große Pose des Auftrittes im Vordergrund stand. Vielmehr beschränkte sich Degas auf Momentaufnahmen hinter den Kulissen, welche die Tänzerinnen während der Probe, des Ausruhens oder in der Vorbereitung auf den Publikumskontakt zeigten. Im Gegensatz zu den impressionistischen Malerkollegen lehnte Degas die Freilichtmalerei ab. Stattdessen maß er dem Zeichnen oder Malen aus dem Gedächtnis größere Bedeutung bei. Die auf diese Weise freigesetzte Fantasie verband er in seinem Atelier lediglich mit Modellen oder vor Ort erstellten Skizzen zu einem Ganzen.

Auch in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurde Fantasie großgeschrieben. Anlass boten zum Beispiel wirtschaftliche Gründe, waren doch geeignete Rohstoffe oftmals knapp, die zum Teil teuer importiert werden mussten. Dementsprechend war die Staatsführung auch neben der Devisenbeschaffung daran interessiert, entsprechende Geldsummen aus der Bevölkerung abzuschöpfen. Das Konsum Seifenwerk Riesa® deckte nicht nur rund 80% des inländischen Seifenbedarfs, sondern wartete mit kreativen Produkten auf, die von Seifen für kleine Kinderhände bis hin zu Luxusartikeln für Präsent-Sets reichte. In den 1980er Jahren – der Blütezeit des Werkes – produzierten etwa 500 Werktätige jährlich an die 20.000 Tonnen Seife.

Dass im Werk nicht nur produktionsbedingt „Ballett gemacht“ wurde, demonstriert dieses markante Präsent-Set. Ob Umverpackung oder die drei innenliegenden Seifenstücke: sie alle eint der schwanenhafte Tanz der Ballerinen vor rotfarbenem Hintergrund. Auch die „Riesaer Seifenkatze“ durfte auf der Verpackung nicht fehlen. Bereits seit den 1950ern stand das schwarz-weiße Reinlichkeitstier mit schlafendem und wachendem Auge für die Produkte aus Riesa, als wollte es zu jeder Tages- und Nachtzeit über die Schönheit wachen. In der Tat stellte die „Ballett“®-Seife ein ausgewiesenes Schönheitsprodukt dar. Angereichert mit Lanolin und Hamamelis besaß ein Seifenstück im Einzelhandel bereits einen Wert von 1,20 Mark (ein Brötchen kostete im Vergleich 0,05 Mark). Inwiefern die Häufigkeit und generelle Anwendung des sächsischen Fabrikats zur Schönheit des werktätigen Teints beitrug, lässt sich heute nur schwerlich ermessen. Edgar Degas hätte zumindest die Nutzung honoriert, denn „eine Frau ist mit zwölf eine Skizze, mit fünfzehn eine Zeichnung, mit achtzehn malt sie selbst, und mit zwanzig stellt sie sich aus. Aber wie alt sie auch sein mag, ein Stillleben wird sie nie“.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.09. bis 03.10.2017

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: In seinem Spätwerk wendete sich Edgar Degas vor allem der Fotografie und Skulptur zu, da sein nachlassendes Augenlicht ihn zu Erblinden drohte. Gepflegt von seiner Nichte, verstarb er am 27. September 1917 an einer Hirnblutung. Der Todestag des Künstlers jährt sich damit im Jahr 2017 zum 100. Male.

Bereits im Jahre 1909 wurde die Seifenfabrik Riesa-Gröba® als Tochter der Großeinkaufs – Gesellschaft Deutscher Consumvereine® (GEG) gegründet. In der Deutschen Demokratischen Republik wurde das Seifenwerk unter dem Verband der Konsumgenossenschaften® erfolgreich fortgeführt. Im Jahre 1992 übernahm die Firma M. Kappus GmbH & Co. KG® das Seifenwerk, welches zu diesem Zeitpunkt bereits als GmbH firmierte. Mit dieser deutsch-deutschen Vereinigung zählt das traditionsbewusste Unternehmen laut eigenen Angaben heute zum größten Seifenhersteller in Mittel- und Westeuropa.

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