Objektbeiträge

August 2017 – Von Modetrends und Sommerfans

Oder: Coco war schuld!

Kosmetik-Flakon „Delial® Sonnenlotion“;Drugofa GmbH®,Köln/ Bundesrepublik Deutschland, um 1960

Sammlung Norbert Jährling/ Stiftung Carl August Heinz Stiftung 2014

„Trends halten nicht länger als sechs Monate.“ Wer wollte in unserer schnelllebigen Zeit da dem deutschen Couturier Karl Lagerfeld (*1933) widersprechen? Nicht nur die Parfum- und Kosmetikbranche kennt die Spielarten des Kommens und Vergehens. Gerade die Welt der Mode lebt es seit Jahrhunderten vor, in welchem Wechselspiel sich der personalisierte Zeitgeschmack bewegt. In einem Kessel kultureller Coolness, wie Paris, New York, Berlin oder Tokio entsteht er dann, der neue, richtungsweisende Trend. Doch die Geschichte lehrt uns, dass auch so manch weltbewegendes an der Peripherie passieren kann. So beispielsweise im Jahr 1923 an der malerischen Côte d’Azur geschehen. Bei strahlend blauem Himmel entstieg in Cannes keine geringere als Coco Chanel (*1883-†1971) der Jacht des Duke of Wellington. Mit Erstaunen nahm die lokale Medienpräsens die von der Witterung umschmeichelte, braungebrannte Modeschöpferin wahr. Was eher einem Zufall glich, wurde von der Presse als absolutes Fashion-Statement aufgenommen, war doch bis dato ein blass-weißer Teint der Ausdruck von „chic“ und gesellschaftlicher Stellung. Im Gegensatz zur sonnenunempfindlichen Mademoiselle Chanel konnte jedoch nicht jeder Hauttyp gefahrlos der neuen Trendbräune frönen. Die „bleichen Reichen“ und all jene in Frankreich, welche die neue Freiheit des gesetzlich bezahlten Urlaubes bei Sonne, Strand und Meer genießen wollten, mussten sich allerdings über zehn Jahre gedulden, bis schließlich 1935 der Hersteller L´Oreal® das Bräunungsöl mit Sonnenschutz „Ambre Solaire“® auf den Markt brachte.

In Deutschland fiel die Patentanmeldung des lang ersehnten Produktes bereits in das Jahr 1933, zusammen mit der Schaffung des „Dritten Reiches“ und einer Firmengründung. Das in Berlin als Bayer®-Tochter ins Leben gerufene Unternehmen „Drugs of Amerika“, kurz Drugofa GmbH®, sollte seinem Wesen nach populäre amerikanische Gebrauchswaren auf deutschem Gebiet vertreiben. „Delial“® war die erste Marke mit dosiertem UV-Schutzfilter, die sich zunächst in Lichtschutzsalbe und -öl schneller Beliebtheit erfreute. Attraktivität verbreiteten ab 1934 die offensiven Werbekampagnen unter freien Himmel, die mittels Werbefilmen und einem eigens nachgerüsteten „Delial“®-Fahrzeug mit Lautsprecherdurchsage an den Badestränden von Nord- und Ostsee kreuzten.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hielt der Erfolg an. So konnte bereits 1955 die Produktpalette durch eine Sonnenmilch und wenig später durch ein Spray in Kunststoffverpackung erweitert werden. Wie im Beispiel der hier gezeigten „Delial“®-Sonnenlotion, hatten jedoch für lange Zeit Verpackungen aus Glas das Sagen. Typisch für die Marke war die abgeflachte, bauchige Form des Schütt-Flakons, der an der gesamten Längsseite Rillen aufweist; um schwitzenden oder vom Inhalt benetzten Händen besseren Halt zu bieten. Sonnenklar zeigte sich das Farbkonzept aus Papieretikett und Kunststoffverschluss im strahlenden Gelbton, abgesetzt in der Signalfarbe Rot und „so wunderbar braun“ wie die erhoffte Hautfärbung des Nutzers, für die Schriftzüge.

Nicht weniger ausgereift präsentiert sich die Duftarchitektur des Inhalts, mit dem Anspruch auf Frische, Pflege, Schutz und natürlich: Gelb. Die sinnliche Umsetzung dieses Gefühls von Sommer, fand sich ab den 1970er Jahren in einer „citrischen“ Note aus Bergamotte. Als polarisierender Duft wird dieser in seiner geschmacklichen „Einseitigkeit“ heute als eher unmodern empfunden. Neben dem UV-filterndem Sonnenschutzfaktor darf es nach heutigen Maßstäben lieber eine Unisex-Kombination von Grundbase und Parfümierung sein, die klar definiert für „Delial“®-Produkte aus „Grapefruit, Orange, frisch gemähtem Gras, Maiglöckchen, Rose, Iris, Heliotrop und Sandelholz“ besteht. Ungebrochen bleibt dagegen der anhaltende Trend einer, je Hauttyp gesund anzusehenden Teint-Bräune. Würde das nicht in der Quintessenz bedeuten, dass Herr Lagerfeld seine Trend-Definition überdenken müsste?

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 07.08. bis 31.08.2017

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Aufgrund von Einsparungsmaßnahmen und um den Bayer-Konzern übersichtlicher zu gestalten, wurde die Drugofa GmbH® in Köln zum 31.12.2012 liquidiert. Die vielfach geschätzte Produktvielfalt der Marke Delial® blieb erhalten und firmiert seit 1996 unter dem amerikanischen Label Sara Lee Household and Body Care Deutschland GmbH®.

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Juli 2017 – Von griechischer Eleganz bis dänischer Extravaganz

Oder: Drei Länder, eine Meinung!

Riechdose in Amphorenform; unbekannter dänischer Silberschmied, Königreich Dänemark, nach 1800

Sammlung Sigrid Söhlke/ Dauerleihgabe Carl August Heinz Stiftung 2017

„Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das der Nachwelt so viel Freude gemacht hätte.“ Als der deutsche Dichter und Denker Johann Wolfgang von Goethe (*1749-†1832) diese Zeilen über das antike Pompeji in sein italienisches Reisetagebuch schrieb, hatte die Stadt bereits ein trauriges Schattendasein hinter sich gelassen. Nicht nur deren tragisches Ende, hervorgerufen durch den Ausbruch des nahegelegenen Vulkans Vesuv im Jahre 79, auch die um 1748 begonnenen Ausgrabungskampagnen des neapolitanischen Königshauses zerstörten die zu Tage kommende römische Hinterlassenschaft. Kein Geringerer als der deutsche Archäologie-Pionier und Kunsttheoretiker der Aufklärung Johann Joachim Winkelmann (*1717-†1768) übte an den unwissenschaftlichen Grabungsmethoden Kritik. Ausgelöst von seinen Protesten und von der Fülle zu Tage tretender Artefakte verfiel ganz Europa zunehmend in Euphorie für einen neuen Lebensstil. In der Folge sollte der antikisierende „Goût grec“ (franz. Griechischem Geschmack), der schließlich in die architektonischen Meisterwerke des Klassizismus und der napoleonischen Staatskunst des Empire mündete, Triumphe feiern.

Auch im entfernten Königreich England verfolgte man mit Interesse die neuen Strömungen, die im Handumdrehen durch die italienischen Bildungsreisen junger Gentlemen in aller Munde waren. Das heroische Pathos der Antike wurde in der Gesellschaft mit einer neuen Raffinesse kultiviert, in welcher das Unbekümmerte, Lässige, geradezu Enthüllende in den Vordergrund trat. Derlei Enthüllungen faszinierten auch das junge Schriftstellertalent Jane Austin (*1775-†1817), die ihre Romanprotagonistinnen nach zahlreichen Wirrungen in Liebe, Freundschaft und Standesdünkel die gewonnene Natürlichkeit im Frauenbild wiederspiegeln lässt. In den unzähligen Romanverfilmungen ihrer Meisterwerke – wie „Stolz und Vorurteil“ – kommt die ländliche Leichtigkeit und Einfachheit am Ende des 18. Jahrhunderts zum Ausdruck, die sich auch auf die Mode niederschlugen. „Kaum mehr als in ihre Tugend“ gehüllt, so umschreibt der Chronist die leichte Hülle aus Seide, Chiffon und Musselin. Tatsächlich machte das Chemisen-Kleid (franz. Hemd) seinem Namen alle Ehre, war es doch lediglich ein verlängertes dünnes Leibhemd, dass in langen Falten liegend unter dem Busen gerafft wurde. Zwar engte die neue entworfene Mode à la Grecque (franz. griechische Mode) nicht wie vormals die Schnürbrust den Körper ein, sie zog jedoch chronisch grassierende Erkältungen nach sich – im Volksmund „Musselin-Krankheit“ genannt. Zur Modetorheit par excellence schritt die eine oder andere Italienerin wie Engländerin als Tochter des Hellas barfüßig einher, sehr zum Entzücken so manchen Begleiters.

Das Opfer auf dem „Altar der Schönheit“ bedurfte aber auch entsprechender Accessoires für dem Toilettentisch. Das Königreich Dänemark machte ähnlich der norddeutschen Regionen seine Aufwartung mit extravaganten Riechbehältnissen. In ihrer Formgebung an antike Vorrats- oder Trinkbehältnisse anknüpfend, sind sie im Gleichklang mit ihren Vorbildern als Hochzeitsgaben anzusehen. Das vorliegende Exemplar präsentiert sich als ein würdiges Beispiel. Zwar ist sein Schöpfer unbekannt, doch geben die eingepunzten Beschauzeichen des Königlich Dänischen Hofjuweliers und Stadsgardeins (dt. städtischer Beschaumeister) von Kopenhagen Frederik Fabritius (*1740-†1829) darüber Auskunft, dass es sich um ein echtes Silberstück handeln muss. Aus Blech getrieben baut sich auf hexagonalem Grundriss das Deckelgefäß auf, geschmückt von zwei flachen Ohrenhenkeln und einem bügelkronenartigen Deckelknauf. Auffallend ist der „Edelsteinbesatz“ aus grellbunten blau-, grün-, rot- und pinkfarbenen facettierten Glasflüssen, die durch Zargenfassungen gehalten, in ihren überproportionalen Ausmaßen fast schon fremdkörperartig wirken. Ein parfumgetränktes Schwämmchen verführte jede Benutzerin nach Aufklappen des Scharnierdeckels. Darüber hinaus bot die sich öffnende Standfläche eine weitere neckische Besonderheit. Hier fand sich Platz für duftenden Balsam oder gar Schönheitspflästerchen, die als Reminiszenz an die „gute alte Zeit“ ab und an gerne aufgetragen wurden. Dass sich derlei luxuriöse Riechbehältnisse überdies bei gelegentlichen Unpässlichkeiten, wie Ohnmachtsanfällen bewährten, wusste auch der eingangs erwähnte Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe zu schätzen, lässt er doch in seinem „Faust“ Gretchen hastig ausrufen: „Nachbarin! Euer Fläschchen!“

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 03.07. bis 06.08.2017

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Ausblick: Das Objekt wird vermutlich ab Mai 2019 erneut im Rahmen einer Sonderausstellung zu sehen sein, die sich umfänglich dem Flakon des 18. und 19. Jahrhunderts aus der Sammlung Sigrid Söhlke widmet.

Wissenswertes: Die englische Autorin Jane Austen widmete sich ausschließlich ihrem schriftstellerischem Schaffen und blieb – wie ihre Schwestern – zeitlebens unverheiratet. Einen Heiratsantrag des um sechs Jahre jüngeren Harrison Bigg Wither hatte sie abgelehnt und zog die persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit vor. Im Alter von 40 Jahren verstarb sie am 18. Juli 1817, vermutlich an einer Nebennierenrinden-Insuffizienz. Ihr Todestag jährt sich damit im Jahr 2017 zum 300. Male.

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Juni 2017 – Von natürlichem Odor und deutschem Erfindergeist

Mein Bac®… Dein Bac®… Bac® ist für uns alle da!

Deodorant-Sprayer „Bac – Aerosol“®; Olivin GmbH®, Wiesbaden/ Bundesrepublik Deutschland, 1960er Jahre

Sammlung Norbert Jährling/ Stiftung Carl August Heinz Stiftung 2014

„Lieber will ich nach nichts, als lieblich riechen.“ Mit dieser recht martialischen Haltung stieß im Jahre 101 der Satiriker und Epigrammdichter Marcus Valerius Martial (*zwischen 38 und 40-†nach 100) bei seinen römischen Mitmenschen auf recht taube Ohren. Wer hört schon auf Dichter und Philosophen, wenn es um die Eitelkeit geht?! In der warmen Jahreszeit dürfte jedoch von je her das pure Grundbedürfnis von Reinlichkeit und Frische im Vordergrund gestanden haben. Damals wie heute bestimmt lästiges Schwitzen den Alltag und fördert vorzugsweise den Eigengeruch des Körpers. Eventuell dachte Martial bei seinen Worten an die aphrodisierende Wirkung, welche einen natürlichen Odor (lat. Geruch, Duft) auf das andere Geschlecht ausüben kann. Doch anstatt der Verzauberung folgt, wie am Beispiel der Achselhöhlen, häufig die Ernüchterung. Die Schuldigen sind schnell gefunden… bis zu einer Million Bakterien pro Quadratzentimeter tummeln sich in dieser Körperregion, um sich von den Proteinen und Salzen des entstandenen Kühlungsschweißes zu ernähren. Also ein KO-Kriterium für jegliche Achselbehaarung?!

Erst das Jahr 1888 ließ ein sprichwörtliches „Aufatmen“ zu. Das erste käuflich zu erwerbende „Deodorant“ schickte sich an, den kosmetischen Markt zu erobern. Freilich stand damit die Entwicklung noch in den Kinderschuhen, jedoch zeichnete sich die wachsartige Creme durch eine Beimengung antibakteriell wirkenden Zinkoxids aus. Experimentell gaben sich auch die äquivalenten Versuche der 1948 vom chemisch-pharmazeutischen Hersteller C. H. Boehringer® gegründeten Olivin®Werke. Das in Wiesbaden ansässige Tochterunternehmen widmete sich von Beginn an ausschließlich der Entwicklung und Herstellung von Haut- und Körperpflegeprodukten. Den entscheidenden Impuls für den Erfolg lieferte 1952 der findige Geschäftsführer Joachim Jencquel (*?-†?) selbst, indem er den Laborversuchen die frisch auf den amerikanischen Markt gekommene desinfizierende Seife „Dial“® zugrunde legte. Nur wenige Wochen später revolutionierte der weltweit erste Deo-Stick – handlich und funktional – mit dem Werbeslogan „Ein Strich – ein Zisch… körperfrisch“ den westdeutschen Markt. Seinen Namen „Bac“® leiteten seine Erfinder vom Wirkstoff Bactericid 43 ab, der in der Lage ist, die lästigen Geruchsbakterien zu beseitigen.

Ein Anfang, dessen Fortschreiten zum 1. März 1960 in der nicht minder erfolgversprechenden Lancierung des „Bac“® Spray-Deodorants mündete. Am vorliegenden Beispiel wird deutlich, wie sich das Frischegefühl im aufgegriffen Flakon-Design fortsetzt. Nicht in der schlichten zylindrischen Formgebung – die im Übrigen für die kommenden Jahrzehnte kennzeichnend bleiben sollte – sondern in einem poppig-pinken, gummiartigen Kunststoffmantel liegt der eigentliche Reiz des Glas-Flakons. Ob als Lichtschutz für den Inhaltsstoff oder Hommage an die internationalisierte Pop-Art-Kultur der 1960er Jahre – der Kunststoffüberzug setzt haptisch wie technisch neu zu definierende Maßstäbe. Ergänzt wird das Modell durch einen kontrastreichen Etikett-Aufdruck auf Vorder- und Rückseite, in matten Weiß- und Schwarztönen.

Nach einem kurzen Besitzerwechsel an ein britisches Unternehmen, fiel die Olivin GmbH® 1974 an das Hamburger Unternehmen Hans Schwarzkopf GmbH®. Damit wurde das bereits bestehende Produktsortiment von „Bac“® erweitert, beispielsweise um das legendäre „Bac-Duschbad“® , und neue Werbestrategien formuliert, die mit dem Slogan „Mein Bac®… Dein Bac®… Bac® ist für uns alle da!“ Kultstatus erlangten. Kein Wunder also, wenn für die Teenager der 1980er Jahre der Duft von Bac® bald ebenso zum Outfit gehörte wie die „Adidas-Allround“®-Turnschuhe, der „Walkman“® von Sony® oder einfach nur die Einheitssocke in Weiß. Wie wohl der „antike“ Martial darüber geurteilt hätte?

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.06. bis 03.07.2017

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Seit dem Jahr 1995 gehören die Hans Schwarzkopf GmbH® und somit auch die ehemalige Olivin GmbH® mit ihren Produkten dem Düsseldorfer Henkel®-Konzern an.

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