Januar 2018 – Von blauvioletten zu goldtopasfarbenen Träumen

Oder das Lavendel-Wasser der Ostberliner

Parfüm-Flakon „Alberna -Lavendel“® als Factice und Foto eines Firmen-Parfümeurs; Alberna Fabrik Kosmetischer Erzeugnisse GmbH®, Ostberlin/ Deutsche Demokratische Republik, 1950er/ 60er Jahre

Ankauf 2016/ 2018

„Lavendel, Minze, Salbei, Majoran, die Ringelblum’, die mit der Sonn’ entschläft und weinend mit ihr aufsteht: Das sind Blumen aus Sommers Mitte, die man geben muss den Männern mittlern Alters.“ Die Protagonistin „Perdita“ in der Theaterdichtung „Wintermärchen“ des englischen Dichters William Shakespeare (*1564-†1616) weiß durchaus, von was sie spricht. Als Beispiel sei der Lavendel hervorgehoben, dessen stärkende und erfrischende Wirkung auf Körper und Geist bereits seit der Antike bekannt ist. Wurde einerseits zum Reinigen von Krankenlagern die desinfizierende Wirkung des Lavendels durch Verbrennen der getrockneten Pflanze genutzt, so schätzte andererseits die römische Hausfrau dessen Wohlgeruch von Frische, indem sie Lavendel-Sträußchen zwischen ihre Wäschestapel platzierte.

Unweigerlich verbunden mit der Geschichte des Lavendels ist der französische Landstrich der Provence. Das mediterrane Klima lässt Pflanzen für die Duftgewinnung ungehindert gedeihen. Inmitten diesem „Eldorado“ feiner Nasen, schwang sich das mittelalterliche Städtchen Grasse zum Duftessenzen-Himmel empor. Was einst mit der Parfümierung von Lederhandschuhen begann, erfuhr seit dem 17. Jahrhundert eine Spezialisierung auf Extraktion und Destillation von Pflanzensäften. Wenngleich die im Hinterland noch reichlich vorhandenen blau-violetten Lavendel-Felder das Auge verwöhnen, so darf nicht vergessen werden, dass sich die Moden der Nase längst gewandelt haben. Waren reine Lavendel-Wasser noch bis in die Nachkriegsjahre hinein en vogue, so bildete das aromatische Lavendel-Öl spätestens ab den 1960er Jahren lediglich noch als Kompositionselement einen Abglanz in Fougère und Chypre-Noten.

Wann und wie das seinerzeit in Berlin-Mitte gelegene Kosmetikunternehmen Alberna® entstand und inwiefern dessen Namensbezeichnung tatsächlich auf seinen Begründer Albert Bernhardt (*?-†?) zurückzuführen ist, unterliegt heute lediglich Spekulationen. Eine Tatsache bleibt dagegen, dass neben der schier unerschöpflichen Produktpalette, dass „Alberna Kölnisch Wasser“® und „Alberna Lavendel“® zu den unumstrittenen Verkaufsschlagern des Unternehmens zählten. Damit entsprach die Alberna Fabrik Kosmetischer Erzeugnisse GmbH® voll und ganz dem Zeitgeschmack nach „blütenreiner Frische“. Daran änderte nach dem Zweiten Weltkrieg weder die treuhänderische Verwaltung der jungen Staatsmacht der Deutschen Demokratischen Republik, noch die 1959 erfolgte Eingliederung in den 1954 gegründeten Volkseigenen Betrieb des VEB Berlin-Kosmetik® etwas. Mögen Gründe der Wirtschaftlichkeit vorgeschoben sein… in jedem Falle wurde der in der Kurstraße 35 gelegene Produktionsstandort offenbar recht zeitnah aufgegeben. Das „aus“ der Firma für „Kultur in der Körperpflege“ bedeutete jedoch keines für seine Erfolgsprodukte, wie dem „Alberna Lavendel“®. Dieses wurde unter dem Markennamen Alberna® von anderen volkseigenen Schwesterfirmen weiter produziert.

Die rundum vom Verbraucher geschätzte Qualität fand nicht nur für das Lavendel-Wasser selbst eine Fortführung. Auch der vor Sonneneinstrahlung schützende, goldtopasfarbene Glas-Flakon blieb in seiner langgestreckten Form erhalten; versehen mit einem praktischen Bakelitverschluss. Dagegen wies die hier gezeigte Luxus-Variante eine flache und kantigere Formgebung auf, geziert durch ein rotfarbenes Siegelband und verschlossen durch einen eingeschliffenen Glasstopfen. Eine Vertiefung an der Vorderseite bleibt dem im Umriss gleichgestalteten Papieretikett vorbehalten. Die wappenschildähnliche Fläche – dem Firmenlogo nachempfunden – zeigt ein monochromes Farbkonzept in Brauntönen, mit einer linearen Grafik, die seitlich von stilisierten Lavendelblüten umrahmt wird. Ob der für Werbezwecke vorgesehene Schau-Flakon sowie viele weitere Glas-Flakons der Marke Alberna® vom thüringischen VEB Glaswerk Ernstthal® produziert wurden, muss an dieser Stelle offen bleiben. Denn voller Stolz prangte, eingeprägt auf der Standfläche eines jeden Alberna®-Flakons, der Namenszug „Alberna“ in markanter Schreibschrift. So und nicht anders sollte es sein; ähnlich den Flakons der Modeikone Coco Chanel (*1883-†1971), die einmal passend bemerkte: „Mode ist vergänglich. Stil niemals!“

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 08.01. bis 31.01.2018

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Ein weiterer Verkaufsschlager von Alberna® war das „Alberna Kölnisch Wasser“®, das täglich die Gäste des Ostberliner Interhotels „Stadt Berlin“ am Alexanderplatz in 10 ml Flakons auf 1006 Zimmern erfreute. Eine reizvolle Besonderheit war die Hand-Etikettierung dieser Mengen-Ausführung, da sie maschinell nicht möglich war. Auch die durch Alkoholverbot geprägten arabischen Länder konnten durch eine Exportvariante des „Duftes köstlicher Frische“ erobert werden; indem auf Alkoholzusatz verzichtet und die Parfümölkomposition stark reduziert wurde.

An dieser Stelle möchten wir uns bei Herrn Markus Orschel recht herzlich bedanken, welcher uns freundlicherweise das Foto mit Einblick in die Produktion der Alberna Fabrik Kosmetischer Erzeugnisse GmbH® zur Verfügung gestellt hat.

Ausblick: Integration in die neue Dauerausstellung zur Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR, ab Mai 2019.

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