Juli 2017 – Von griechischer Eleganz bis dänischer Extravaganz

Oder: Drei Länder, eine Meinung!

Riechdose in Amphorenform; unbekannter dänischer Silberschmied, Königreich Dänemark, nach 1800

Sammlung Sigrid Söhlke/ Dauerleihgabe Carl August Heinz Stiftung 2017

„Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das der Nachwelt so viel Freude gemacht hätte.“ Als der deutsche Dichter und Denker Johann Wolfgang von Goethe (*1749-†1832) diese Zeilen über das antike Pompeji in sein italienisches Reisetagebuch schrieb, hatte die Stadt bereits ein trauriges Schattendasein hinter sich gelassen. Nicht nur deren tragisches Ende, hervorgerufen durch den Ausbruch des nahegelegenen Vulkans Vesuv im Jahre 79, auch die um 1748 begonnenen Ausgrabungskampagnen des neapolitanischen Königshauses zerstörten die zu Tage kommende römische Hinterlassenschaft. Kein Geringerer als der deutsche Archäologie-Pionier und Kunsttheoretiker der Aufklärung Johann Joachim Winkelmann (*1717-†1768) übte an den unwissenschaftlichen Grabungsmethoden Kritik. Ausgelöst von seinen Protesten und von der Fülle zu Tage tretender Artefakte verfiel ganz Europa zunehmend in Euphorie für einen neuen Lebensstil. In der Folge sollte der antikisierende „Goût grec“ (franz. Griechischem Geschmack), der schließlich in die architektonischen Meisterwerke des Klassizismus und der napoleonischen Staatskunst des Empire mündete, Triumphe feiern.

Auch im entfernten Königreich England verfolgte man mit Interesse die neuen Strömungen, die im Handumdrehen durch die italienischen Bildungsreisen junger Gentlemen in aller Munde waren. Das heroische Pathos der Antike wurde in der Gesellschaft mit einer neuen Raffinesse kultiviert, in welcher das Unbekümmerte, Lässige, geradezu Enthüllende in den Vordergrund trat. Derlei Enthüllungen faszinierten auch das junge Schriftstellertalent Jane Austin (*1775-†1817), die ihre Romanprotagonistinnen nach zahlreichen Wirrungen in Liebe, Freundschaft und Standesdünkel die gewonnene Natürlichkeit im Frauenbild wiederspiegeln lässt. In den unzähligen Romanverfilmungen ihrer Meisterwerke – wie „Stolz und Vorurteil“ – kommt die ländliche Leichtigkeit und Einfachheit am Ende des 18. Jahrhunderts zum Ausdruck, die sich auch auf die Mode niederschlugen. „Kaum mehr als in ihre Tugend“ gehüllt, so umschreibt der Chronist die leichte Hülle aus Seide, Chiffon und Musselin. Tatsächlich machte das Chemisen-Kleid (franz. Hemd) seinem Namen alle Ehre, war es doch lediglich ein verlängertes dünnes Leibhemd, dass in langen Falten liegend unter dem Busen gerafft wurde. Zwar engte die neue entworfene Mode à la Grecque (franz. griechische Mode) nicht wie vormals die Schnürbrust den Körper ein, sie zog jedoch chronisch grassierende Erkältungen nach sich – im Volksmund „Musselin-Krankheit“ genannt. Zur Modetorheit par excellence schritt die eine oder andere Italienerin wie Engländerin als Tochter des Hellas barfüßig einher, sehr zum Entzücken so manchen Begleiters.

Das Opfer auf dem „Altar der Schönheit“ bedurfte aber auch entsprechender Accessoires für dem Toilettentisch. Das Königreich Dänemark machte ähnlich der norddeutschen Regionen seine Aufwartung mit extravaganten Riechbehältnissen. In ihrer Formgebung an antike Vorrats- oder Trinkbehältnisse anknüpfend, sind sie im Gleichklang mit ihren Vorbildern als Hochzeitsgaben anzusehen. Das vorliegende Exemplar präsentiert sich als ein würdiges Beispiel. Zwar ist sein Schöpfer unbekannt, doch geben die eingepunzten Beschauzeichen des Königlich Dänischen Hofjuweliers und Stadsgardeins (dt. städtischer Beschaumeister) von Kopenhagen Frederik Fabritius (*1740-†1829) darüber Auskunft, dass es sich um ein echtes Silberstück handeln muss. Aus Blech getrieben baut sich auf hexagonalem Grundriss das Deckelgefäß auf, geschmückt von zwei flachen Ohrenhenkeln und einem bügelkronenartigen Deckelknauf. Auffallend ist der „Edelsteinbesatz“ aus grellbunten blau-, grün-, rot- und pinkfarbenen facettierten Glasflüssen, die durch Zargenfassungen gehalten, in ihren überproportionalen Ausmaßen fast schon fremdkörperartig wirken. Ein parfumgetränktes Schwämmchen verführte jede Benutzerin nach Aufklappen des Scharnierdeckels. Darüber hinaus bot die sich öffnende Standfläche eine weitere neckische Besonderheit. Hier fand sich Platz für duftenden Balsam oder gar Schönheitspflästerchen, die als Reminiszenz an die „gute alte Zeit“ ab und an gerne aufgetragen wurden. Dass sich derlei luxuriöse Riechbehältnisse überdies bei gelegentlichen Unpässlichkeiten, wie Ohnmachtsanfällen bewährten, wusste auch der eingangs erwähnte Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe zu schätzen, lässt er doch in seinem „Faust“ Gretchen hastig ausrufen: „Nachbarin! Euer Fläschchen!“

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 03.07. bis 06.08.2017

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Ausblick: Das Objekt wird vermutlich ab Mai 2019 erneut im Rahmen einer Sonderausstellung zu sehen sein, die sich umfänglich dem Flakon des 18. und 19. Jahrhunderts aus der Sammlung Sigrid Söhlke widmet.

Wissenswertes: Die englische Autorin Jane Austen widmete sich ausschließlich ihrem schriftstellerischem Schaffen und blieb – wie ihre Schwestern – zeitlebens unverheiratet. Einen Heiratsantrag des um sechs Jahre jüngeren Harrison Bigg Wither hatte sie abgelehnt und zog die persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit vor. Im Alter von 40 Jahren verstarb sie am 18. Juli 1817, vermutlich an einer Nebennierenrinden-Insuffizienz. Ihr Todestag jährt sich damit im Jahr 2017 zum 300. Male.

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