Januar 2017 – Von bayerischen Kunstgriffen und Lebensphilosophien

Ludwig Thoma und das „Bayrisch Lüfterl“®

Parfüm-Flakon „Bayrisch Lüfterl - Sommerblüte“® mit Umverpackung; Hubmann GmbH®, Übersee/ Bundesrepublik Deutschland, 1980er Jahre

Parfüm-Flakon „Bayrisch Lüfterl – Sommerblüte“® mit Umverpackung; Hubmann GmbH®, Übersee/ Bundesrepublik Deutschland, 1980er Jahre

Sammlung Beatrice Frankl/ Schenkung 2016

„Regieren konnte ich nicht mehr, und einen Unterschreiber abgeben wollte ich nicht. Nicht Sklave zu werden, wurde ich Freiherr.“ Resignierende Worte eines Monarchen, der sich zur Abdankung gezwungen sah. Dabei hatte sich König Ludwig I. von Bayern (*1786-†1868) doch so viel Großes für seine Bajuwaren (ursprüngliche Namensform der Baiern) erhofft. Größe bewiesen in der Tat die Projekte des zweiten bayerischen Königs. Im Jahr 1835 förderte er beispielsweise zwischen Nürnberg und Fürth die erste Eisenbahnverbindung für den Personenverkehr auf deutschem Boden. Auch die Verlegung der Ludwig-Maximilians-Universität aus Landshut nach München geht auf seine Initiative zurück, die an der prächtig bebauten Ludwigsstraße bis dato angesiedelt ist. Dort wie andernorts entstanden zahlreiche Monumentalbauten, angereichert durch überragende Kunstsammlungen, die das noch junge Königreich Bayern in seiner politischen Ordnung stützten und sein Ansehen in europäischen Metropolen wie Paris, London, St. Petersburg und Athen stärkte. Für das antike Griechenland bewies der König schließlich eine ungebrochene Leidenschaft. Er erließ sogar die Verordnung das „i“ im Landesnamen „Baiern“ durch das griechische „y“ zu ersetzen – auf dass wenigstens ein was Griechisches in das Königreich Einzug hielte. Aber weder die aufblühende Wirtschaft und Kultur, noch die Einführung des bis heute bestehenden Oktoberfestes vermochten es, die reaktionären Kräfte der Märzrevolution von 1848 zu beschwichtigen. Mit der Durchsetzung einer Konstitutionellen Monarchie unter seinem Sohn und Nachfolger König Maximilian II. von Bayern (*1811-†1864) sollte landesweit ein anderes Lüftchen wehen.

Der in Oberammergau geborene Ludwig Thoma (*1867-†1921) entwickelte eine ganz eigene Sichtweise auf diese politischen und kulturellen Umwälzungen seines bayerischen Vaterlandes. Nach seinem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität ließ er sich 1894 als Rechtsanwalt in Dachau nieder, wo er die Querelen „seiner Bauern“ hautnah durchlebte. Ein unvergleichlicher Gewinn für seine weitere berufliche Laufbahn als passionierter Schriftsteller, vermochte er doch aus einer Fülle an praxisnahen Einblicken der ländlichen Region Bayerns zu schöpfen. Nahezu brillant prangerte er in den folgenden Jahren kompromisslos das spießbürgerliche Milieu des heimatlichen Provinzialismus an und wetterte gleichermaßen gegen den prahlerischen Pickelhauben-Militarismus Preußens. Gespickt mit Ironie und Humor ließ er seine Protagonisten in bayerischer Mundart zu Wort kommen, womit es ihm laut Carl von Ossietzky (*1867-†1921) gelang, „als erster den bayerischen Bauern künstlerisch so gefasst zu haben, wie er leibt und lebt“. Der rundliche und unverwüstlich aussehende Urbayer blieb sich und seiner Heimat jedoch zeitlebens treu. Noch auf dem Sterbebett schrieb er Zeilen, die seine ungeschmälerte Verwurzelung zum Ausdruck brachten: „Ich bin in sorgsamster Pflege, herrlicher Luft, freue mich über jedes Geräusch draußen und herin und höre, fühle, atme Heimat“.

Den Eindruck eines „Bayrisch Lüfterl“® mit sommerlich aufblühenden Wiesengründen und der atemberaubenden Alpenlandschaft einzufangen, war vermutlich auch das Bestreben der Hubmann GmbH® aus Übersee am Chiemsee. So bodenständig das Parfum sein mag, den glasklaren Flakon signierte mitnichten ein bayerischer Hersteller, sondern die französische Glashütte Pochet et du Courval®. Dem schlicht kubischen Flakon-Design steht alternierend die formgleiche Umverpackung gegenüber – natürlich im luftigen weiß-blau, geziert von einer Wolke und einer rustikal wirkenden Rose in Bauernmanier. Mit dieser duften Erscheinung hätte Ludwig Thoma sicher gerne geliebäugelt, lag sie doch voll und ganz in seinem Verständnis eines erfüllten Lebensglücks: „Ich werde 2-3 Kühe halten, Obst bauen, […] ein pikfeines Bauernhäusl errichten und in der Lederhose leben und sterben. Amen…“

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 09.01. bis 31.01.2017

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Am 21. Januar 1867 wurde Ludwig Thoma als fünftes Kind des Oberförsterehepaares Max und Katharina Thoma in Oberammergau geboren. Im Jahr 2017 jährt sich somit sein Geburtstag zum 150. Male. Popularität erhielt er durch seine in den 1960er Jahren verfilmten „Lausbubengeschichten“ mit Hansi Kraus in der Hauptrolle, die unmittelbare Parallelen zu seiner eigenen Kindheit aufweisen. Umstritten ist die Persönlichkeit des Schriftstellers kurz vor seinem Tod. Im „Miesbacher Anzeiger“ (1920/ 21) manifestierte er etwa seine nationalkonservativen Ansichten und Denkweisen durch antisemitische Parolen und einer antisozialistischen Sichtweise. Eine Ehrung erfuhr er durch die Aufstellung seiner Bildnis-Büste in der vom Architekten Leo von Klenze für König Ludwig I. von Bayern geschaffenen Ruhmeshalle auf der Münchener Theresienwiese.

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