Monatsarchive: Februar 2018

Februar 2018 – Von gescherten und gescheiterten Köpfen

Oder „Comanat® – oh welche Zier, niemals lass ich ab von dir!

Haarwasser-Flakon „Comanat“® mit Beipackzettel und Umverpackung; VEB Comanat Haus Magdeburg®, Diesdorf/ Deutsche Demokratische Republik, zwischen 1964-1967

Sammlung Monika Jürgens-Winefeld/ Schenkung 2016

„… es ist alles ganz eitel“, so steht es geschrieben im „Buch der Bücher“ – der Bibel (Pred 1,2). Dennoch mag sich im wahrsten Sinne des Wortes so mancher Mönch erleichtert vorgekommen sein, als er mit einsetzendem, schütterem Haupthaar seine Tonsur (lat. tonsura, „scheren“) erhielt. Doch eine kurze oder gar geschorene Haartracht war nicht jedermanns Sache. Als „G´scherter“, wie es heute noch im Bayerischen abwertend heißt, wollte sich kein Mann von Rang und Namen schimpfen lassen. Die Gentiluomi (ital. „Gentleman“) der frühen Neuzeit standen daher in der Vielfalt der Damenhaartrachten in nichts nach, wenngleich einige „ältere“ Herren unverhohlen zur Schaustellung natürlicher Kahlheit neigten. Jedoch musste Haarausfall nicht zwingend genetischen Ursprungs sein. Alleine die Verwendung opulenter Kopfbedenkungen führte unweigerlich zur Überhitzung und ungenügenden Durchlüftung des Haares. Der aus Siena stammende Leibarzt des römisch-deutschen Kaisers Maximilians II. (*1527-†1576), Pietro Andrea Mattioli (*1501-†1577), empfahl hierauf ein simples Rezept: „So man die Ulme spaltet / Fleußt aus dem Mark ein Feuchtigkeit / dieselbe aufs Haupt gestrichen / behellt das ausfallende Haar / on macht es wachsen …“ Dennoch, so leicht sich das auch anhörte, im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit unterlag die Haarpflege den Regeln der Planetenläufe. So empfahl sich beispielsweise das Schneiden der Haare während eines bestimmten Mondstandes, damit sie schöner nachwuchsen.

Im Laufe der Jahrhunderte sollten noch viele geduldige Männer eine weiter wachsende Anzahl an Haaren verlieren, um gegen den Haarausfall gewappnet zu sein. Ein passendes Mittel – namens „Comanat-Haarwasser“® – eroberte ab dem Jahr 1936 den Markt. Seinem Erfinder und Gründer der Comanat Haus KG® Franz Halier (*?-†?) glückte eine Formel auf Kräuterbasis, die Generationen begeistern sollte. Wie andere Kräuterhaarwässer aus Gerbstoffextrakten, lockerte „Comanat-Haarwasser“® das Haar, stärkte die Kopfhaut und beugte übermäßiger Schuppenbildung wie Talgdrüsenüberfunktion vor. Von wesentlicher Bedeutung war jedoch der speziell entwickelte Vitaminkomplex. Für schwerwiegende Fälle empfahl sich – laut Beipackzettel – das Produkt in kreisenden Bewegungen in das Haar zu massieren und die Anwendung alle zwei Tage zu wiederholen. Frei nach dem hauseigenen Werberuf „Oh Vati! Du musst Comanat nehmen!“, erfreute sich bald das „Comanat-Haarwasser“® nicht nur bei Vätern erhöhter Nachfrage.

Die Zeitspanne während der DDR-Ära gestaltete sich für Comanat® als äußerst turbulent. Neben der Markeneintragung im Jahr 1968 erfolgte zeitweise die Abfüllung als auch der Vertrieb des Haarwassers durch Ernst Lange in Magdeburg. Im Jahr 1972 teilte das Unternehmen schließlich das Schicksal der Vollverstaatlichung… dabei hatte man noch ein Jahr zuvor einträchtig die zehnjährige Staatsbeteiligung und „35. Jahre Comanat-Haarwasser“® gefeiert.

Doch auch mit der Vollverstaatlichung erfreute sich das Haarwasser einer ungebrochenen Beliebtheit. Aufgrund des Wiedererkennungswertes durfte auf den Papieretiketten der ursprüngliche Namenszug in Frakturschrift fortbestehen. Darüber hinaus florierte der Export bis nach Afrika, Asien und Südamerika, was zusätzlich eine englischsprachige Bedruckung der Umverpackung erforderlich machte. In Parallelität existierten zwei unterschiedlich gestaltete Flakons; eine für den Export bestimmte Formvariante und die hier gezeigte für den inländischen Vertrieb. Der aus Braunglas bestehende, halbautomatisch geblasene Schütt-Flakon wurde im thüringischen VEB Glaswerk Fehrenbach® gefertigt. Typisch für diese Art von Flaschen war das konische Design mit seitlichen Buckelungen, für einen verbesserten Halt während der Nutzung. Den Bakelitverschluss als auch die jeweiligen Flachseiten des Flakons schmückte in Reliefform der Schriftzug Comanat®. Dennoch, auch dieses Flakon-Design fiel der fortschreitenden Ermangelung an Rohstoffen und der einsetzenden Vereinheitlichung von Produktionsprozessen zum Opfer, was wenig später einen Ersatz in aalglatter, zylindrischer Flasche nach sich zog. Das Auge brauchte nunmehr nicht mit zu kaufen. Für das zentral aus Ost-Berlin gesteuerte Kombinat zählte alleine die traditionelle Überzeugung des Produkts. Der Volksmund belächelte dies mit Nachsicht, denn „was einem das Schicksal an Haar nimmt, ersetzt es einem an Humor.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.02. bis 28.02.2018

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Sehr wahrscheinlich wurde die ursprüngliche Produktionsstätte der Comanat Haus KG® mit dem Luftangriff Magdeburgs vom 16.01.1945 stark beschädigt, da die Produktion des Haarwassers nach dem Zweiten Weltkrieg nach Diesdorf im neugegründeten Bezirk Magdeburg verlegt wurde. Nach der Vollverstaatlichung wurde der erneut in Magdeburg befindliche Produktionsstandort aufgegeben. Es erfolgte eine Verlagerung der Haarwasser-Produktion nach Waldheim/ Sachsen, an dem VEB Chemisches Kombinat Miltitz Florena Waldheim. Nach der politischen Wende fand die Erfolgsgeschichte des „Comanat-Haarwassers“® ihr jähes Ende, die mit der Löschung der Marke „Comanat“® am 26. März 1998 rechtlich besiegelt wurde.

Ausblick: Integration in die neue Dauerausstellung zur Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR, im Jahr 2019.

Möchten Sie uns etwas zu diesem Objekt mitteilen oder haben eine Bildanfrage? Dann schreiben Sie uns bitte an, unter museum@flakonglasmuseum.eu