Monatsarchive: März 2018

VORSCHAU – Blitzsaubere Konsumideen auf Weltniveau

… versprach durchaus auch die Werbung in der Deutschen Demokratischen Republik! Gerne schmückte mancher Werbeslogan der 1950er und 60er Jahre den Zusatz „…auf Weltniveau“. Die damaligen Hersteller bewiesen damit zu Recht ihren Stolz, sich trotz Materialknappheit mit westlichen Produkten messen zu können.

Die Preview-Sonderausstellung gewährt einen kleinen Einblick aus der schier unglaublichen Anzahl von 66 Parfum- und Kosmetikherstellern, die in der Sammlung Monika Jürgens-Winefeld vertreten sind. Getreu dem Motto des Internationalen Museumstages sucht diese Sonderausstellung neue Wege in der Aufarbeitung der innerdeutschen Spaltung nach dem Zweiten Weltkrieg und vermittelt zwischen Ost und West. Im Fokus lässt sich Gemeinsames und doch Befremdliches aus dem Bereich des sozialistischen Produkt- und Marketingdesigns der DDR entdecken. In einer kleinen aber feinen Auswahl präsentieren wir Ihnen Glanzlichter des Alltagskonsums, vom Kassenschlager bis hin zur „Bückware“. Einst brachten sie sehnsüchtige Augen in kleinen Drogerien oder den Warenkaufhäusern von „Konsum“, „HO“ und „Exquisit“ zum Funkeln. Allen Vorurteilen zum Trotz ersteht vor uns die ostdeutsche Werbewelt der 1950er und 60er Jahre, mit Witz und Charme, bunt und einfallsreich.

Die Preview-Sonderausstellung ist der in Vorbereitung befindlichen Dauerausstellung zur Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR vorangestellt, die im Jahr 2019 eröffnet wird. Beide Ausstellungen stehen im Zusammenhang mit unserem Forschungsprojekt zur “Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR”.

Preview-Sonderausstellung

“Blitzsaubere Konsumideen auf Weltnieveau – Das Gesicht der DDR Kosmetik- und Werbeindustrie”

Eröffnung anlässlich des Internationalen Museumstages am 13. Mai 2018

März 2018 – Von Eheglück und „Storchencreme“

Oder wie der VEB Leipziger Arzneimittelwerk® zum Kinde kam

Creme-Dose „Elasan Creme“® Puder-Dose „Elasan Baby-Puder“® und Informationsprospekt; VEB Leipziger Arzneimittelwerk®, Leipzig/ Deutsche Demokratische Republik, zwischen 1966 bis 1989

Sammlung Monika Jürgens-Winefeld/ Schenkung 2016

„Wo kriegten wir die Kinder her,

wenn Meister Klapperstorch nicht wär?“

Diese Frage, bitte sehr,

stellte kein geringerer,

als Wilhelm Busch (*1832-†1908) der Dichter gar,

über „Meister Adebar“.

Aber bitte, bleiben wir doch bodenständig, denn aller humorvollen Prosa zum Trotz, ist diese Frage doch eine ernste! Spätestens wenn der vorhandene Nachwuchs nach dem plötzlichen Erscheinen des neuen Geschwisterchens die Frage aller Fragen stellt, verfällt der eine oder andere von uns in Erklärungsnöte. Die Mär, dass der Storch die Kinder bringen würde, kommt dann gerade recht, entspricht sie doch – im 18. Jahrhundert herausgebildet – voll und ganz der Tradition. Im Amts- und Intelligenzblatt für die Oberamtsstadt Kirchheim unter Teck aus dem Jahr 1854 heißt es, der große, kräftige Vogel sei “seit uralter Zeit den Eheleuten als Musterbild des häuslichen Glückes vorgestellt”. Demnach galt er als Bote des Eheglücks, sobald er sich im Frühjahr aus dem Süden kommend, als Pärchen auf dem Dache niederließ. Dies erklärt auch den in Fabeln gebräuchlichen „Künstlernamen“ „Adebars“, der sich aus dem althochdeutschen Wort „Auda“ für “Glück” und der Silbe „bar“ für „tragen“ oder „bringen“ zusammensetzt. Interessant erscheint in dem Zusammenhang auch die Verwandtschaft der Silbe „bar“ mit dem Wort „bera“, was mit „Gebären“ gleichzusetzen ist. Das sich der Storch als Froschfeinschmecker mit Vorliebe an flachen Gewässern aufhält, kam dann schlichtweg den Vorstellungen alten deutschen Volksglaubens zu Gute, der im Wasser die Heimstatt der Kinderseelen sah.

Wie letztlich der Storch zum Kinde kam, wird sicher aufgrund zahlreicher Theorien im Dunkeln bleiben. Gewiss ist hingegen die Tatsache, dass im Jahr 1966 der VEB Leipziger Arzneimittelwerk® innerhalb der Deutschen Demokratischen Republik alleiniger Hersteller für Babypflegemittel wurde. Den Anfang bildete eine Creme mit abdeckender Wirkung in einer tiefblauen Flachdose, geziert durch einen weißfarbenen Storch. Damit war der Wiedererkennungswert des Produktes gegeben, welches umgangssprachlich den Kosenamen „Storchencreme“ erhielt. Zwei Jahre danach wurde die nunmehrige „Elasan-Creme“® mit einer neuen Rezeptur versehen und schrittweise durch „Elasan-Babypuder“®, „-Babyöl“®, „-Gel“®, „-Milk“®, „-Zartcreme“®, „-Babyseife“® und „-Babybad“® ergänzt. Mit dieser Palette an Pflegepräparaten war faktisch ein umfassender Schutz geboten, der laut Herstellerinformation durch „die unterschiedlichen Zusammensetzungen und Anwendungsformen [.] allen Pflegeansprüchen von Säuglingen und Kleinkindern gerecht“ wurde. Im ständigen Sortiment von Drogerien und Kaufhäusern vorhanden, griffen bei überempfindlicher Haut und Parfümunverträglichkeit auch gerne Erwachsene zu „Elasan“®. Nicht zu vergessen sind hierbei wohl auch finanzielle Aspekte, da Artikel für Kinder in der DDR hochsubventioniert waren. Im Vergleich kostete eine Flachdose „Elasan-Creme“® mit einem Verkaufspreis von 2,- Mark, ganze 50 Pfennige weniger als die über die Landesgrenzen hinaus bekanntere „Florena-Creme“®. Ähnlich dieser war auch das Farbkonzept der „Elasan“®-Pflegeserie in der Farbkombination weiß-blau gehalten. Wobei das Blau eher einem Himmelblau glich und so im direkten Bezug auf das luftige Gefilde des Weißstorches stand. Das ist aus dem Grunde erwähnenswert, weil anstelle des aufgedruckten Storches, schon bald das filigran-verspielte „Elasan“®-Logo trat. Über Generationen hinweg hatte dieses Designkonzept bestand und existierte unverkennbar bis zum Ende der sozialistischen Staatsform.

Was die hier gezeigten Pflegeartikel außerdem verdeutlichen, ist die Wertstellung recycelbarer Rohstoffe in der DDR. Während die zylindrische Puderdose aus Pappe und einem Metallboden besteht, ist die runde Flachdose der Creme vollkommen aus Weißblech gefertigt. Derlei knappe Wertstoffgüter wurden nach Gebrauch der Wiederverwertung zugeführt. „Moderne Alchemisten können aus Müll Geld machen“, formulierte der Thüringer Aphoristiker Helmut Glaßl (*1950) treffend und hat Recht. Der ostdeutsche Staat sparte durch dieses Handeln nicht nur Finanzen, leistete außerdem wirtschaftsorientierte Pionierarbeit der anderen Art.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.03. bis 02.04.2018

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Der VEB Leipziger Arzneimittelwerk unterstand dem seit 1979 bestehenden VEB Pharmazeutisches Kombinat GERMED Dresden. Die Wortmarke GERMED stand ursprünglich für die Bezeichnung „GERman MEDicaments“. Im Jahr 1980 bestand der Kombinat aus 13 Firmen mit insgesamt 3.600 Beschäftigten. Die „Elasan“®-Produkte werden mit neuem Design seit dem Jahr 2000 durch die Riemser Arzneimittel AG hergestellt, die ihren Sitz in der Hanse- und Universitätsstadt Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern hat.

Medien: In der DDR gab es bis 1976 auch Fernsehwerbung, die in der Werbesendung Tausend-Tele-Tips gezeigt wurde. Elasan dufte da selbstverständlich nicht fehlen!

Ausblick: Integration in die neue Dauerausstellung zur Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR, im Jahr 2019.

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