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VORSCHAU – Blitzsaubere Konsumideen auf Weltniveau

… versprach durchaus auch die Werbung in der Deutschen Demokratischen Republik! Gerne schmückte mancher Werbeslogan der 1950er und 60er Jahre den Zusatz „…auf Weltniveau“. Die damaligen Hersteller bewiesen damit zu Recht ihren Stolz, sich trotz Materialknappheit mit westlichen Produkten messen zu können.

Die Preview-Sonderausstellung gewährt einen kleinen Einblick aus der schier unglaublichen Anzahl von 66 Parfum- und Kosmetikherstellern, die in der Sammlung Monika Jürgens-Winefeld vertreten sind. Getreu dem Motto des Internationalen Museumstages sucht diese Sonderausstellung neue Wege in der Aufarbeitung der innerdeutschen Spaltung nach dem Zweiten Weltkrieg und vermittelt zwischen Ost und West. Im Fokus lässt sich Gemeinsames und doch Befremdliches aus dem Bereich des sozialistischen Produkt- und Marketingdesigns der DDR entdecken. In einer kleinen aber feinen Auswahl präsentieren wir Ihnen Glanzlichter des Alltagskonsums, vom Kassenschlager bis hin zur „Bückware“. Einst brachten sie sehnsüchtige Augen in kleinen Drogerien oder den Warenkaufhäusern von „Konsum“, „HO“ und „Exquisit“ zum Funkeln. Allen Vorurteilen zum Trotz ersteht vor uns die ostdeutsche Werbewelt der 1950er und 60er Jahre, mit Witz und Charme, bunt und einfallsreich.

Die Preview-Sonderausstellung ist der in Vorbereitung befindlichen Dauerausstellung zur Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR vorangestellt, die im Jahr 2019 eröffnet wird. Beide Ausstellungen stehen im Zusammenhang mit unserem Forschungsprojekt zur “Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR”.

Preview-Sonderausstellung

“Blitzsaubere Konsumideen auf Weltnieveau – Das Gesicht der DDR Kosmetik- und Werbeindustrie”

Eröffnung anlässlich des Internationalen Museumstages am 13. Mai 2018

März 2018 – Von Eheglück und „Storchencreme“

Oder wie der VEB Leipziger Arzneimittelwerk® zum Kinde kam

Creme-Dose „Elasan Creme“® Puder-Dose „Elasan Baby-Puder“® und Informationsprospekt; VEB Leipziger Arzneimittelwerk®, Leipzig/ Deutsche Demokratische Republik, zwischen 1966 bis 1989

Sammlung Monika Jürgens-Winefeld/ Schenkung 2016

„Wo kriegten wir die Kinder her,

wenn Meister Klapperstorch nicht wär?“

Diese Frage, bitte sehr,

stellte kein geringerer,

als Wilhelm Busch (*1832-†1908) der Dichter gar,

über „Meister Adebar“.

Aber bitte, bleiben wir doch bodenständig, denn aller humorvollen Prosa zum Trotz, ist diese Frage doch eine ernste! Spätestens wenn der vorhandene Nachwuchs nach dem plötzlichen Erscheinen des neuen Geschwisterchens die Frage aller Fragen stellt, verfällt der eine oder andere von uns in Erklärungsnöte. Die Mär, dass der Storch die Kinder bringen würde, kommt dann gerade recht, entspricht sie doch – im 18. Jahrhundert herausgebildet – voll und ganz der Tradition. Im Amts- und Intelligenzblatt für die Oberamtsstadt Kirchheim unter Teck aus dem Jahr 1854 heißt es, der große, kräftige Vogel sei “seit uralter Zeit den Eheleuten als Musterbild des häuslichen Glückes vorgestellt”. Demnach galt er als Bote des Eheglücks, sobald er sich im Frühjahr aus dem Süden kommend, als Pärchen auf dem Dache niederließ. Dies erklärt auch den in Fabeln gebräuchlichen „Künstlernamen“ „Adebars“, der sich aus dem althochdeutschen Wort „Auda“ für “Glück” und der Silbe „bar“ für „tragen“ oder „bringen“ zusammensetzt. Interessant erscheint in dem Zusammenhang auch die Verwandtschaft der Silbe „bar“ mit dem Wort „bera“, was mit „Gebären“ gleichzusetzen ist. Das sich der Storch als Froschfeinschmecker mit Vorliebe an flachen Gewässern aufhält, kam dann schlichtweg den Vorstellungen alten deutschen Volksglaubens zu Gute, der im Wasser die Heimstatt der Kinderseelen sah.

Wie letztlich der Storch zum Kinde kam, wird sicher aufgrund zahlreicher Theorien im Dunkeln bleiben. Gewiss ist hingegen die Tatsache, dass im Jahr 1966 der VEB Leipziger Arzneimittelwerk® innerhalb der Deutschen Demokratischen Republik alleiniger Hersteller für Babypflegemittel wurde. Den Anfang bildete eine Creme mit abdeckender Wirkung in einer tiefblauen Flachdose, geziert durch einen weißfarbenen Storch. Damit war der Wiedererkennungswert des Produktes gegeben, welches umgangssprachlich den Kosenamen „Storchencreme“ erhielt. Zwei Jahre danach wurde die nunmehrige „Elasan-Creme“® mit einer neuen Rezeptur versehen und schrittweise durch „Elasan-Babypuder“®, „-Babyöl“®, „-Gel“®, „-Milk“®, „-Zartcreme“®, „-Babyseife“® und „-Babybad“® ergänzt. Mit dieser Palette an Pflegepräparaten war faktisch ein umfassender Schutz geboten, der laut Herstellerinformation durch „die unterschiedlichen Zusammensetzungen und Anwendungsformen [.] allen Pflegeansprüchen von Säuglingen und Kleinkindern gerecht“ wurde. Im ständigen Sortiment von Drogerien und Kaufhäusern vorhanden, griffen bei überempfindlicher Haut und Parfümunverträglichkeit auch gerne Erwachsene zu „Elasan“®. Nicht zu vergessen sind hierbei wohl auch finanzielle Aspekte, da Artikel für Kinder in der DDR hochsubventioniert waren. Im Vergleich kostete eine Flachdose „Elasan-Creme“® mit einem Verkaufspreis von 2,- Mark, ganze 50 Pfennige weniger als die über die Landesgrenzen hinaus bekanntere „Florena-Creme“®. Ähnlich dieser war auch das Farbkonzept der „Elasan“®-Pflegeserie in der Farbkombination weiß-blau gehalten. Wobei das Blau eher einem Himmelblau glich und so im direkten Bezug auf das luftige Gefilde des Weißstorches stand. Das ist aus dem Grunde erwähnenswert, weil anstelle des aufgedruckten Storches, schon bald das filigran-verspielte „Elasan“®-Logo trat. Über Generationen hinweg hatte dieses Designkonzept bestand und existierte unverkennbar bis zum Ende der sozialistischen Staatsform.

Was die hier gezeigten Pflegeartikel außerdem verdeutlichen, ist die Wertstellung recycelbarer Rohstoffe in der DDR. Während die zylindrische Puderdose aus Pappe und einem Metallboden besteht, ist die runde Flachdose der Creme vollkommen aus Weißblech gefertigt. Derlei knappe Wertstoffgüter wurden nach Gebrauch der Wiederverwertung zugeführt. „Moderne Alchemisten können aus Müll Geld machen“, formulierte der Thüringer Aphoristiker Helmut Glaßl (*1950) treffend und hat Recht. Der ostdeutsche Staat sparte durch dieses Handeln nicht nur Finanzen, leistete außerdem wirtschaftsorientierte Pionierarbeit der anderen Art.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.03. bis 02.04.2018

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Der VEB Leipziger Arzneimittelwerk unterstand dem seit 1979 bestehenden VEB Pharmazeutisches Kombinat GERMED Dresden. Die Wortmarke GERMED stand ursprünglich für die Bezeichnung „GERman MEDicaments“. Im Jahr 1980 bestand der Kombinat aus 13 Firmen mit insgesamt 3.600 Beschäftigten. Die „Elasan“®-Produkte werden mit neuem Design seit dem Jahr 2000 durch die Riemser Arzneimittel AG hergestellt, die ihren Sitz in der Hanse- und Universitätsstadt Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern hat.

Medien: In der DDR gab es bis 1976 auch Fernsehwerbung, die in der Werbesendung Tausend-Tele-Tips gezeigt wurde. Elasan dufte da selbstverständlich nicht fehlen!

Ausblick: Integration in die neue Dauerausstellung zur Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR, im Jahr 2019.

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Februar 2018 – Von gescherten und gescheiterten Köpfen

Oder „Comanat® – oh welche Zier, niemals lass ich ab von dir!

Haarwasser-Flakon „Comanat“® mit Beipackzettel und Umverpackung; VEB Comanat Haus Magdeburg®, Diesdorf/ Deutsche Demokratische Republik, zwischen 1964-1967

Sammlung Monika Jürgens-Winefeld/ Schenkung 2016

„… es ist alles ganz eitel“, so steht es geschrieben im „Buch der Bücher“ – der Bibel (Pred 1,2). Dennoch mag sich im wahrsten Sinne des Wortes so mancher Mönch erleichtert vorgekommen sein, als er mit einsetzendem, schütterem Haupthaar seine Tonsur (lat. tonsura, „scheren“) erhielt. Doch eine kurze oder gar geschorene Haartracht war nicht jedermanns Sache. Als „G´scherter“, wie es heute noch im Bayerischen abwertend heißt, wollte sich kein Mann von Rang und Namen schimpfen lassen. Die Gentiluomi (ital. „Gentleman“) der frühen Neuzeit standen daher in der Vielfalt der Damenhaartrachten in nichts nach, wenngleich einige „ältere“ Herren unverhohlen zur Schaustellung natürlicher Kahlheit neigten. Jedoch musste Haarausfall nicht zwingend genetischen Ursprungs sein. Alleine die Verwendung opulenter Kopfbedenkungen führte unweigerlich zur Überhitzung und ungenügenden Durchlüftung des Haares. Der aus Siena stammende Leibarzt des römisch-deutschen Kaisers Maximilians II. (*1527-†1576), Pietro Andrea Mattioli (*1501-†1577), empfahl hierauf ein simples Rezept: „So man die Ulme spaltet / Fleußt aus dem Mark ein Feuchtigkeit / dieselbe aufs Haupt gestrichen / behellt das ausfallende Haar / on macht es wachsen …“ Dennoch, so leicht sich das auch anhörte, im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit unterlag die Haarpflege den Regeln der Planetenläufe. So empfahl sich beispielsweise das Schneiden der Haare während eines bestimmten Mondstandes, damit sie schöner nachwuchsen.

Im Laufe der Jahrhunderte sollten noch viele geduldige Männer eine weiter wachsende Anzahl an Haaren verlieren, um gegen den Haarausfall gewappnet zu sein. Ein passendes Mittel – namens „Comanat-Haarwasser“® – eroberte ab dem Jahr 1936 den Markt. Seinem Erfinder und Gründer der Comanat Haus KG® Franz Halier (*?-†?) glückte eine Formel auf Kräuterbasis, die Generationen begeistern sollte. Wie andere Kräuterhaarwässer aus Gerbstoffextrakten, lockerte „Comanat-Haarwasser“® das Haar, stärkte die Kopfhaut und beugte übermäßiger Schuppenbildung wie Talgdrüsenüberfunktion vor. Von wesentlicher Bedeutung war jedoch der speziell entwickelte Vitaminkomplex. Für schwerwiegende Fälle empfahl sich – laut Beipackzettel – das Produkt in kreisenden Bewegungen in das Haar zu massieren und die Anwendung alle zwei Tage zu wiederholen. Frei nach dem hauseigenen Werberuf „Oh Vati! Du musst Comanat nehmen!“, erfreute sich bald das „Comanat-Haarwasser“® nicht nur bei Vätern erhöhter Nachfrage.

Die Zeitspanne während der DDR-Ära gestaltete sich für Comanat® als äußerst turbulent. Neben der Markeneintragung im Jahr 1968 erfolgte zeitweise die Abfüllung als auch der Vertrieb des Haarwassers durch Ernst Lange in Magdeburg. Im Jahr 1972 teilte das Unternehmen schließlich das Schicksal der Vollverstaatlichung… dabei hatte man noch ein Jahr zuvor einträchtig die zehnjährige Staatsbeteiligung und „35. Jahre Comanat-Haarwasser“® gefeiert.

Doch auch mit der Vollverstaatlichung erfreute sich das Haarwasser einer ungebrochenen Beliebtheit. Aufgrund des Wiedererkennungswertes durfte auf den Papieretiketten der ursprüngliche Namenszug in Frakturschrift fortbestehen. Darüber hinaus florierte der Export bis nach Afrika, Asien und Südamerika, was zusätzlich eine englischsprachige Bedruckung der Umverpackung erforderlich machte. In Parallelität existierten zwei unterschiedlich gestaltete Flakons; eine für den Export bestimmte Formvariante und die hier gezeigte für den inländischen Vertrieb. Der aus Braunglas bestehende, halbautomatisch geblasene Schütt-Flakon wurde im thüringischen VEB Glaswerk Fehrenbach® gefertigt. Typisch für diese Art von Flaschen war das konische Design mit seitlichen Buckelungen, für einen verbesserten Halt während der Nutzung. Den Bakelitverschluss als auch die jeweiligen Flachseiten des Flakons schmückte in Reliefform der Schriftzug Comanat®. Dennoch, auch dieses Flakon-Design fiel der fortschreitenden Ermangelung an Rohstoffen und der einsetzenden Vereinheitlichung von Produktionsprozessen zum Opfer, was wenig später einen Ersatz in aalglatter, zylindrischer Flasche nach sich zog. Das Auge brauchte nunmehr nicht mit zu kaufen. Für das zentral aus Ost-Berlin gesteuerte Kombinat zählte alleine die traditionelle Überzeugung des Produkts. Der Volksmund belächelte dies mit Nachsicht, denn „was einem das Schicksal an Haar nimmt, ersetzt es einem an Humor.

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.02. bis 28.02.2018

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Sehr wahrscheinlich wurde die ursprüngliche Produktionsstätte der Comanat Haus KG® mit dem Luftangriff Magdeburgs vom 16.01.1945 stark beschädigt, da die Produktion des Haarwassers nach dem Zweiten Weltkrieg nach Diesdorf im neugegründeten Bezirk Magdeburg verlegt wurde. Nach der Vollverstaatlichung wurde der erneut in Magdeburg befindliche Produktionsstandort aufgegeben. Es erfolgte eine Verlagerung der Haarwasser-Produktion nach Waldheim/ Sachsen, an dem VEB Chemisches Kombinat Miltitz Florena Waldheim. Nach der politischen Wende fand die Erfolgsgeschichte des „Comanat-Haarwassers“® ihr jähes Ende, die mit der Löschung der Marke „Comanat“® am 26. März 1998 rechtlich besiegelt wurde.

Ausblick: Integration in die neue Dauerausstellung zur Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR, im Jahr 2019.

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