Archiv des Autors: bloeffler

Zerbrechliche Geschichte auf Reisen

 

© Photo: Thomas König

“Gläserne Welten – Potsdamer Glasmacher schneiden Geschichte”

Wenn sich Geschichte wiederholt ist das nichts Ungewöhnliches. Wenn das aber nach knapp 300 Jahren passiert, so ist es doch zumindest erwähnenswert. Für das Europäische Flakonglasmusem ist es allerdings mehr als das: Geradezu aufregend!

Dieser Glaspokal schrieb Glasmachergeschichte! Dies würde zumindest jeder Kleintettauer so sehen, in dessen Adern mehr flüssiges Glas als Blut fließt. Seine Entstehung verdankt er dem Wissensdurst des Kleintettauer Glasmachers Johann Christoph Heintz (1698 – 1770), den es dafür in die Fremde zog.

Die “Königliche Preußische Glashütte” erschien ihm dabei unumgängliches Ziel zu sein, hatte doch der Glasexperimentator Johannes Kunkel (1630 – 1703) diese als gläserne “Kreativschmiede” besonderen Ranges ins Leben gerufen. Hier nun entstand das „heinzigartige“ Trinkgefäß wohl vor 1732, vermutlich als Probestück des später als “Butsdamer” bezeichneten Vertreters der heute weitverzweigten Glasmeister-Heinz-Familie und ist zudem eines der wenigen Zeugnisse aus der Schaffensperiode dieser königlich-preußischen Produktionsstätte edlen Tafelglases.

Nach fast 300 Jahren kehrte die im Europäischen Flakonglasmuseum verwahrte Dauerleihgabe der Glasmeister-Heinz-Familie nun am gestrigen Tag nach Potsdam zurück. In bester und höchst zerbrechlicher Gesellschaft, wird der „Glasmeister-Heinz-Pokal“ mit einer Vielzahl weiterer Prunkgläser in der Sonderausstellung “Gläserne Welten – Potsdamer Glasmacher schneiden Geschichte” des Potsdam-Museums – Forum für Kunst und Geschichte um die Wette funkeln.

Wen es gleichfalls in die Fremde zieht und wem der Wissensdurst drängt auf den Spuren Kunkels und des “Butsdamer Heinz” zu wandeln, hat vom 27. August bis 19. November die wohl einmalige Gelegenheit dazu. Potsdam ist schließlich immer eine Reise wert…

Präsentation: Potsdam-Museum – Forum für Kunst und Geschichte, Potsdam; 27.08. bis 19.11.2017

Ausstellungskatalog: Zur Sonderausstellung ist im Imhof-Verlag ein gleichnamiger Ausstellungskatalog mit ca. 160 Seiten und rund 100 Abbildungen, zum Preis von 24,95 € erschienen.

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August 2017 – Von Modetrends und Sommerfans

Oder: Coco war schuld!

Kosmetik-Flakon „Delial® Sonnenlotion“;Drugofa GmbH®,Köln/ Bundesrepublik Deutschland, um 1960

Sammlung Norbert Jährling/ Stiftung Carl August Heinz Stiftung 2014

„Trends halten nicht länger als sechs Monate.“ Wer wollte in unserer schnelllebigen Zeit da dem deutschen Couturier Karl Lagerfeld (*1933) widersprechen? Nicht nur die Parfum- und Kosmetikbranche kennt die Spielarten des Kommens und Vergehens. Gerade die Welt der Mode lebt es seit Jahrhunderten vor, in welchem Wechselspiel sich der personalisierte Zeitgeschmack bewegt. In einem Kessel kultureller Coolness, wie Paris, New York, Berlin oder Tokio entsteht er dann, der neue, richtungsweisende Trend. Doch die Geschichte lehrt uns, dass auch so manch weltbewegendes an der Peripherie passieren kann. So beispielsweise im Jahr 1923 an der malerischen Côte d’Azur geschehen. Bei strahlend blauem Himmel entstieg in Cannes keine geringere als Coco Chanel (*1883-†1971) der Jacht des Duke of Wellington. Mit Erstaunen nahm die lokale Medienpräsens die von der Witterung umschmeichelte, braungebrannte Modeschöpferin wahr. Was eher einem Zufall glich, wurde von der Presse als absolutes Fashion-Statement aufgenommen, war doch bis dato ein blass-weißer Teint der Ausdruck von „chic“ und gesellschaftlicher Stellung. Im Gegensatz zur sonnenunempfindlichen Mademoiselle Chanel konnte jedoch nicht jeder Hauttyp gefahrlos der neuen Trendbräune frönen. Die „bleichen Reichen“ und all jene in Frankreich, welche die neue Freiheit des gesetzlich bezahlten Urlaubes bei Sonne, Strand und Meer genießen wollten, mussten sich allerdings über zehn Jahre gedulden, bis schließlich 1935 der Hersteller L´Oreal® das Bräunungsöl mit Sonnenschutz „Ambre Solaire“® auf den Markt brachte.

In Deutschland fiel die Patentanmeldung des lang ersehnten Produktes bereits in das Jahr 1933, zusammen mit der Schaffung des „Dritten Reiches“ und einer Firmengründung. Das in Berlin als Bayer®-Tochter ins Leben gerufene Unternehmen „Drugs of Amerika“, kurz Drugofa GmbH®, sollte seinem Wesen nach populäre amerikanische Gebrauchswaren auf deutschem Gebiet vertreiben. „Delial“® war die erste Marke mit dosiertem UV-Schutzfilter, die sich zunächst in Lichtschutzsalbe und -öl schneller Beliebtheit erfreute. Attraktivität verbreiteten ab 1934 die offensiven Werbekampagnen unter freien Himmel, die mittels Werbefilmen und einem eigens nachgerüsteten „Delial“®-Fahrzeug mit Lautsprecherdurchsage an den Badestränden von Nord- und Ostsee kreuzten.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hielt der Erfolg an. So konnte bereits 1955 die Produktpalette durch eine Sonnenmilch und wenig später durch ein Spray in Kunststoffverpackung erweitert werden. Wie im Beispiel der hier gezeigten „Delial“®-Sonnenlotion, hatten jedoch für lange Zeit Verpackungen aus Glas das Sagen. Typisch für die Marke war die abgeflachte, bauchige Form des Schütt-Flakons, der an der gesamten Längsseite Rillen aufweist; um schwitzenden oder vom Inhalt benetzten Händen besseren Halt zu bieten. Sonnenklar zeigte sich das Farbkonzept aus Papieretikett und Kunststoffverschluss im strahlenden Gelbton, abgesetzt in der Signalfarbe Rot und „so wunderbar braun“ wie die erhoffte Hautfärbung des Nutzers, für die Schriftzüge.

Nicht weniger ausgereift präsentiert sich die Duftarchitektur des Inhalts, mit dem Anspruch auf Frische, Pflege, Schutz und natürlich: Gelb. Die sinnliche Umsetzung dieses Gefühls von Sommer, fand sich ab den 1970er Jahren in einer „citrischen“ Note aus Bergamotte. Als polarisierender Duft wird dieser in seiner geschmacklichen „Einseitigkeit“ heute als eher unmodern empfunden. Neben dem UV-filterndem Sonnenschutzfaktor darf es nach heutigen Maßstäben lieber eine Unisex-Kombination von Grundbase und Parfümierung sein, die klar definiert für „Delial“®-Produkte aus „Grapefruit, Orange, frisch gemähtem Gras, Maiglöckchen, Rose, Iris, Heliotrop und Sandelholz“ besteht. Ungebrochen bleibt dagegen der anhaltende Trend einer, je Hauttyp gesund anzusehenden Teint-Bräune. Würde das nicht in der Quintessenz bedeuten, dass Herr Lagerfeld seine Trend-Definition überdenken müsste?

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 07.08. bis 31.08.2017

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Aufgrund von Einsparungsmaßnahmen und um den Bayer-Konzern übersichtlicher zu gestalten, wurde die Drugofa GmbH® in Köln zum 31.12.2012 liquidiert. Die vielfach geschätzte Produktvielfalt der Marke Delial® blieb erhalten und firmiert seit 1996 unter dem amerikanischen Label Sara Lee Household and Body Care Deutschland GmbH®.

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Juli 2017 – Von griechischer Eleganz bis dänischer Extravaganz

Oder: Drei Länder, eine Meinung!

Riechdose in Amphorenform; unbekannter dänischer Silberschmied, Königreich Dänemark, nach 1800

Sammlung Sigrid Söhlke/ Dauerleihgabe Carl August Heinz Stiftung 2017

„Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das der Nachwelt so viel Freude gemacht hätte.“ Als der deutsche Dichter und Denker Johann Wolfgang von Goethe (*1749-†1832) diese Zeilen über das antike Pompeji in sein italienisches Reisetagebuch schrieb, hatte die Stadt bereits ein trauriges Schattendasein hinter sich gelassen. Nicht nur deren tragisches Ende, hervorgerufen durch den Ausbruch des nahegelegenen Vulkans Vesuv im Jahre 79, auch die um 1748 begonnenen Ausgrabungskampagnen des neapolitanischen Königshauses zerstörten die zu Tage kommende römische Hinterlassenschaft. Kein Geringerer als der deutsche Archäologie-Pionier und Kunsttheoretiker der Aufklärung Johann Joachim Winkelmann (*1717-†1768) übte an den unwissenschaftlichen Grabungsmethoden Kritik. Ausgelöst von seinen Protesten und von der Fülle zu Tage tretender Artefakte verfiel ganz Europa zunehmend in Euphorie für einen neuen Lebensstil. In der Folge sollte der antikisierende „Goût grec“ (franz. Griechischem Geschmack), der schließlich in die architektonischen Meisterwerke des Klassizismus und der napoleonischen Staatskunst des Empire mündete, Triumphe feiern.

Auch im entfernten Königreich England verfolgte man mit Interesse die neuen Strömungen, die im Handumdrehen durch die italienischen Bildungsreisen junger Gentlemen in aller Munde waren. Das heroische Pathos der Antike wurde in der Gesellschaft mit einer neuen Raffinesse kultiviert, in welcher das Unbekümmerte, Lässige, geradezu Enthüllende in den Vordergrund trat. Derlei Enthüllungen faszinierten auch das junge Schriftstellertalent Jane Austin (*1775-†1817), die ihre Romanprotagonistinnen nach zahlreichen Wirrungen in Liebe, Freundschaft und Standesdünkel die gewonnene Natürlichkeit im Frauenbild wiederspiegeln lässt. In den unzähligen Romanverfilmungen ihrer Meisterwerke – wie „Stolz und Vorurteil“ – kommt die ländliche Leichtigkeit und Einfachheit am Ende des 18. Jahrhunderts zum Ausdruck, die sich auch auf die Mode niederschlugen. „Kaum mehr als in ihre Tugend“ gehüllt, so umschreibt der Chronist die leichte Hülle aus Seide, Chiffon und Musselin. Tatsächlich machte das Chemisen-Kleid (franz. Hemd) seinem Namen alle Ehre, war es doch lediglich ein verlängertes dünnes Leibhemd, dass in langen Falten liegend unter dem Busen gerafft wurde. Zwar engte die neue entworfene Mode à la Grecque (franz. griechische Mode) nicht wie vormals die Schnürbrust den Körper ein, sie zog jedoch chronisch grassierende Erkältungen nach sich – im Volksmund „Musselin-Krankheit“ genannt. Zur Modetorheit par excellence schritt die eine oder andere Italienerin wie Engländerin als Tochter des Hellas barfüßig einher, sehr zum Entzücken so manchen Begleiters.

Das Opfer auf dem „Altar der Schönheit“ bedurfte aber auch entsprechender Accessoires für dem Toilettentisch. Das Königreich Dänemark machte ähnlich der norddeutschen Regionen seine Aufwartung mit extravaganten Riechbehältnissen. In ihrer Formgebung an antike Vorrats- oder Trinkbehältnisse anknüpfend, sind sie im Gleichklang mit ihren Vorbildern als Hochzeitsgaben anzusehen. Das vorliegende Exemplar präsentiert sich als ein würdiges Beispiel. Zwar ist sein Schöpfer unbekannt, doch geben die eingepunzten Beschauzeichen des Königlich Dänischen Hofjuweliers und Stadsgardeins (dt. städtischer Beschaumeister) von Kopenhagen Frederik Fabritius (*1740-†1829) darüber Auskunft, dass es sich um ein echtes Silberstück handeln muss. Aus Blech getrieben baut sich auf hexagonalem Grundriss das Deckelgefäß auf, geschmückt von zwei flachen Ohrenhenkeln und einem bügelkronenartigen Deckelknauf. Auffallend ist der „Edelsteinbesatz“ aus grellbunten blau-, grün-, rot- und pinkfarbenen facettierten Glasflüssen, die durch Zargenfassungen gehalten, in ihren überproportionalen Ausmaßen fast schon fremdkörperartig wirken. Ein parfumgetränktes Schwämmchen verführte jede Benutzerin nach Aufklappen des Scharnierdeckels. Darüber hinaus bot die sich öffnende Standfläche eine weitere neckische Besonderheit. Hier fand sich Platz für duftenden Balsam oder gar Schönheitspflästerchen, die als Reminiszenz an die „gute alte Zeit“ ab und an gerne aufgetragen wurden. Dass sich derlei luxuriöse Riechbehältnisse überdies bei gelegentlichen Unpässlichkeiten, wie Ohnmachtsanfällen bewährten, wusste auch der eingangs erwähnte Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe zu schätzen, lässt er doch in seinem „Faust“ Gretchen hastig ausrufen: „Nachbarin! Euer Fläschchen!“

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 03.07. bis 06.08.2017

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Ausblick: Das Objekt wird vermutlich ab Mai 2019 erneut im Rahmen einer Sonderausstellung zu sehen sein, die sich umfänglich dem Flakon des 18. und 19. Jahrhunderts aus der Sammlung Sigrid Söhlke widmet.

Wissenswertes: Die englische Autorin Jane Austen widmete sich ausschließlich ihrem schriftstellerischem Schaffen und blieb – wie ihre Schwestern – zeitlebens unverheiratet. Einen Heiratsantrag des um sechs Jahre jüngeren Harrison Bigg Wither hatte sie abgelehnt und zog die persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit vor. Im Alter von 40 Jahren verstarb sie am 18. Juli 1817, vermutlich an einer Nebennierenrinden-Insuffizienz. Ihr Todestag jährt sich damit im Jahr 2017 zum 300. Male.

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