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August 2018 – Von Souvenirs für Jedermann

Oder ein „Souvenir“® für den VEB Decenta Döbeln®

Parfüm-Flakon „Souvenir de luxe“® mit Umverpackung, EdC, 15ml; VEB Rosodont-Werk Waldheim®, Waldheim/ Deutsche Demokratische Republik, zwischen 1955 bis 1964

Sammlung Monika Jürgens-Winefeld/ Schenkung 2016

Ein irisches Sprichwort sagt, „wenn Du in der Jugend keinen Spaß hast, wirst Du ihn im Alter auch nicht haben“. Und wahrlich, die Jugend in den Nachkriegsjahren hatte in punkto Spaß einiges nachzuholen! Quasi über Nacht waren biedere Tänze out. Stattdessen eroberten der amerikanische Rock´n Roll, Boogie-Woogie und die Jeans das Parkett. Obwohl die reifere Gesellschaftsschicht traditionellen Werten verhaftet blieb, ging sie zwangsläufig mit der neuen Zeit. Ungebrochen beliebt blieb sowohl bei Alt als auch Jung der deutsche Schlager, der auf bundesdeutschem Gebiet beispielsweise mit „Spaßvogelsängern“ wie Bill Ramsey (*1931) aufwartete. Dessen deutsche Version des ursprünglich amerikanischen Titels „Souvenirs“, eroberte ab Juni 1959 die deutschen Top 30. Abgesehen von der Septemberlistung in der Jugendzeitschrift „Bravo“®, landete der Song mit Foxtrott-Rhythmus im Oktober für sechs Wochen auf Platz eins in den deutschen Charts. Obschon der Titel in den US-Charts lediglich Platz 111 belegte, bewies das deutsche Musiklabel Polydor® mit dem Nummer-eins-Hit ein sicheres „Näschen“ und reagierte damit auf die einsetzende Tourismus- und Reiselust der Deutschen in den südlichen Mittelmeerraum.

Weitaus unspektakulärer erging es ein paar Jahre zuvor einem völlig anderen Klassiker, der witzigerweise den fast identischen Namen „Souvenir“ trug. Tatsächlich hatte die Deutsche Demokratische Republik die Nase vorn – zumindest im Fall des Damen-Parfüms „Souvenir“® aus dem sächsischen Waldheim. Vermutlich war es das Geschmacksmusterregister des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen (AfEP) – mit Sitz in der Ost-Berliner Mohrenstr. 37 b – in welchem die neueste Parfüm-Kreation des VEB Rosodont-Werk Waldheim® am 19. März 1956 erfolgreich eingetragen wurde. Das neunmonatige Hoffen der um 1852 von dem Apotheker und Zahnpasta-Erfinder Adolf Heinrich August Bergmann (*1799-†1858) gegründeten „Fabrik zur Bereitung chemischer Düngemittel“ hatte sich in allen Punkten gelohnt. Verwunderlich war dies allerdings nicht! Schließlich blickte der mittlerweile volkseigene Betrieb auf eine langjährige Tradition von Parfüm-Entwicklungen zurück, deren Niveau durchaus internationale Beachtung fand. Nicht minder zeugen die etwa zeitgleichen Patenanmeldungen der Parfüm-Serie „Patras“® (registriert 1955) oder der im Oktober 1956 folgende „Schwarzer Samt“® für Damen von dem fachlichen Können der Waldheimer Parfümeure.

Ob nun die wachsende Zahl an Patenten oder die gute nachbarschaftliche Zusammenarbeit ihre Früchte trug – aus unerklärlichen Gründen wurde die Herstellung für „Souvenir“® dem späteren Fusions-Partner VEB Decenta Döbeln® überlassen. Selbstbewusst prangte fortan das Markenzeichen der Döbelner als “Sinnbild der Decenta-Kosmetik – [der] Schmetterling im roten Siegel”, von Etiketten und Umverpackungen, ja selbst geprägt auf Flakon-Verschlüssen des Parfüms. Die vorliegende Ausgabe des Eau de Cologne „Souvenir de luxe“ möchte das Auge aber weitaus sinnlicher erfreuen. So fügt sich der feingliedrige Klarglas-Flakon aus halbautomatischer Produktion des VEB Glaswerk Ernstthal® passgenau in einen dafür vorgesehenen weißfarbenen Köcher. Der geradlinig geschnittene Kunststoffmantel bereichert durch seine filigrane Durchbruchsornamentik im Stil des Art Déco. Eine verspielte Optik, die nicht zuletzt in der Farbharmonie von Schwarz-Weiß-Gold eine zurückhaltende Komponente erfährt. Auch die Kartonage der Umverpackung lässt durch das plakative Damenbildnis die „wilden“ 1920er Jahre erahnen. Die rotgefärbte Pagenkopf-Frisur beweist im Sinne des Zeitgeschmacks Individualität und Sinnlichkeit, Attribute, die dem Parfüm gleichgestellt werden. Das Eau de Cologne mit der blumig-frischen Note blieb dennoch ein Erfrischer einer breiten Käuferschaft, wenngleich die Umverpackung für die bescheidene Füllmenge von 15ml einen Preisaufdruck von 3,75 DM (Deutsche Mark) erhielt. Last but not least, als Letztes, aber nicht als Geringstes klingt einem unverhohlen der Refrain von Bill Ramseys Chart-Hit erneut im Ohr: „Souvenirs, Souvenirs, kauft Ihr Leute, kauft sie ein…“

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 01.08. bis 02.09.2018

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Wissenswertes: Mit dem 3. Oktober 1990 fusionierte das Amt für Erfindungs- und Patentwesen (AfEP) mit dem Deutschen Patentamt. Übernommen wurden dabei nicht nur die 600 Mitarbeiter der AfEP, sondern insgesamt 13,5 Millionen Patentdokumente. Zählten zum 31. Dezember 1990 noch 137.782 Patente zum ursprünglichen DDR-Bestand, so sank deren Anzahl bereits zum 31. Dezember 1994 auf gerade noch 95.663. Allein im Jahr 1994 wurden 16.000 Patente gelöscht, wovon ein Teil vermutlich dem Ablauf der 18jährigen Patentdauer zum Opfer fiel. Auch das Parfüm „Souvenir“® ereilte dieses Schicksal… sowohl die Akte als auch die Geschichte kann somit als vernichtet gelten.

Ausblick: Integration in die neue Dauerausstellung zur Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR, im Jahr 2019.

Möchten Sie uns etwas zu diesem Objekt mitteilen oder haben eine Bildanfrage? Dann schreiben Sie uns bitte an, unter museum@flakonglasmuseum.eu

 

Juli 2018 – Von rekord- und luxusverdächtigen Höhenflügen

Oder wie der Eiffelturm vom Etikett verschwand

Haarwasser-Flakon „Paris am Abend“®, 100ml; Thania Kosmetik®, Ostberlin/ Deutsche Demokratische Republik, zwischen 1951 bis 1972

Sammlung Monika Jürgens-Winefeld/ Schenkung 2016

„Enfoncé l’Europe!“ – Europa kann einpacken… das war die Reaktion eines erstaunten Franzosen während der Eröffnungsfeierlichkeit für den Pariser Eiffelturm am 31. März 1889, „…nachdem er fünf Minuten lang mit offenem Munde vor dem Turm gestanden hatte“. So berichtet es zumindest die damalige Presse und teilte uneingeschränkt die Begeisterung der Bevölkerung, die zuvor alles andere als euphorisch den Konstruktionsplänen des französischen Ingenieurs Alexandre Gustav Eiffel (*1832-†1923) gegenüberstand. Es bedarf keiner großen Erklärungen, warum das nach seinem Schöpfer benannte Bauwerk zum Nationaldenkmal erkoren wurde. Alleine seine damalige Rekordhöhe von 312 Metern erregte so viel Staunen, dass in- wie ausländische Ehrenbezeugungen für das „Wunderwerk der ingenieurtechnischen Fähigkeiten“ unvermeidlich blieben. Auch heute noch – weit über 100 Jahre später – hat „la Dame de Fer“ (dt. die Eiserne Dame), wie die Franzosen liebevoll ihren Turm nennen, nichts an Charme und Popularität verloren. Ob nun im Sonnenlicht des Tages oder mit 20.000 Lampen bei Nacht – er gehört gleich den Champs-Élysées oder dem Croissant zum Sinnbild für „le savoir-vivre“ der französischen Lebensart.

Nationalstolz war es dann vermutlich auch, der den französischen Kosmetikhersteller Bourjois® im Jahr 1928 eine Hommage an Paris und sein Wahrzeichen komponieren ließ. Dem Damen-Parfüm „Soir de Paris“® (dt. Pariser Abend) – dessen Etikett im Übrigen eine grafische Darstellung des Eiffelturmes zierte – flogen in Windeseile nicht nur die Herzen der Französinnen zu. Warum aber in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? – Dies hätte durchaus ein treffender Werbeslogan der Berliner Firma Thania-Kosmetik® für deren Damen-Parfüm „Paris bei Nacht“® sein können. Wann und unter welchen Umständen jedoch die Markteroberung dieser Kreation ihren Anfang nahm bleibt ebenso geheimnisvoll wie der Werdegang des Unternehmens selbst. So soll bereits vor 1945 die Parfümerie Thania® der Familie Stark als Hersteller von Flüssigseifen und Parfüms existiert haben. Spätestens mit dem Ortswechsel in die Pistoriusstr. 102, lag um 1966 die kleine Fabrik für Parfüm, Eau de Cologne und Lavendel- und Haarwässer im Ost-Berlin der noch jungen Deutschen Demokratischen Republik.

Auffallend für die Serie „Paris bei Nacht“® ist sicher nicht nur die Namensgebung, die wohl später lediglich als Kürzel „Paris“® auf den Etiketten endete. Auch das Flakon-Design wechselte je nach staatlicher Zuteilung. Für den vorliegenden Schütt-Flakon kam ein gängiges Modell des thüringischen VEB Glaswerke Piesau® zum Einsatz. Die Welligkeit der Mittelflächen, die Vielzahl eingeschlossener Luftblasen, selbst die unruhige Oberfläche des Klarglases mit dem unebenen Stand verraten mehr als eine halbautomatische Fertigung. Vielmehr veranschaulichen diese Mängel die staatliche Rationierung gegenüber Privatunternehmen durch eine mindere Zulieferqualität. Davon abgesehen wusste Thania-Kosmetik® durchaus mit einfallsreichem Pragmatismus zu vermitteln, was sein Haarwasser „Paris bei Nacht“® wirklich wert war. Da haben wir einerseits das weitere Design-Konzept, angefangen bei dem formharmonisch eingepassten Papieretikett mit geschmackvoller Eiffelturm-Grafik in Blau-Gold, bis hin zur thematisch stilsicheren Strahlenrosette auf dem goldfarbenen Kunststofftop. Andererseits weist der rückseitig auf dem Etikett vermerkte hohe Verbraucherpreis von 4,- (Deutsche Mark?) das Haarwasser regelrecht als Luxusartikel aus. Doch all dies sollte mit der Enteignungswelle im Jahr 1972 ein jähes Ende finden. Vielleicht wurde die Fabrikation von Thania-Kosmetik® einem Berliner Kombinat unterstellt?… Möglich… plausibler erscheint dagegen die Vermutung, dass die Produktion gänzlich dem Vergessen anheimgestellt wurde. In solch radikaler Auffassung sympathisierte der Ministerrat der DDR – wenn auch unbewusst – mit dem französischen Schriftsteller Honoré de Balzac (*1799-†1850): „Provinz bleibt Provinz, sie macht sich lächerlich, wenn sie Paris nachäffen möchte.“

Präsentation: Glas-Café, Kleintettau; 28.06. bis 31.07.2018

Künftiger Standort: Sammlungsdepot

Ausblick: Integration in die neue Dauerausstellung zur Parfümerie- und Kosmetikkultur der DDR, im Jahr 2019.

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HINWEIS – Und bitte Lächeln…

…zum Fotoshooting der besonderen Art

Hand in Hand mit dem Glasmännlein

Am Sonntag den 17. Juni teilten sich nicht nur Hütten- und Couturiersduft die Museumsluft des Europäischen Flakonglasmuseums. Auch die Räumlichkeiten entwickelten sich fernab von Paris und Mailand zum Laufsteg für bekannte und unbekannte Stars der Museumsszene.

Dem international agierenden People-Photograph Markus Garscha gelang es mit viel Einfühlungsvermögen unsere Kostümführungen ins rechte Licht zu setzen.
Ob nun unsere fröhlich gestimmte Bierholerin Christel mit Leichtigkeit das kühle Nass an den Mann brachte, sich Kaiserin
Joséphine de Beauharnais von ihrer rosigsten Seite zeigte, die Mode-Ikone Coco Chanel mit Charme und Zigarettenspitze kokettierte oder Monsieur Guerlain entrückt von seiner künftigen Parfüm-Kreation träumte. Sie alle zeigten, welches Potenzial und vielseitige Programm das Europäische Flakonglasmuseum mit seinen Kostümführungen zu bieten hat. Die tatsächlichen Stars waren jedoch die kleinen Museumsführer von morgen, die zusammen mit dem Glasmännlein auf Entdeckungsreise zu unermesslichen Glasschätzen in der Glashöhle gingen.

Möchten auch Sie mit unseren Kostümführungen auf eine völlig andere Art der Zeitreise gehen, dann informieren Sie sich auf unserer Hompage unter der Kategorie “Museumsführungen” oder lassen sich am besten gleich persönlich unter der Rufnummer 0 9269/ 77-100 von uns beraten! Wir freuen uns auf Ihren Anruf!